: Die Frauen sind dran
Frauen-Handball führt in Deutschland eher ein Nischendasein. Mit einem guten Abschneiden bei der EM könnte sich das ändern. Allein: Die deutsche Mannschaft zählt nicht zu den Favoriten
VON ERIK EGGERS
Spannung gibt’s natürlich auch bei den Frauen. „Jedes Spiel ein Endspiel“ – das versprechen die Handball-Nationalspielerinnen jedenfalls vor der Europameisterschaft in Ungarn in den Spots des Deutschen Sportfernsehen (DSF), unter ihnen auch Leverkusens Torhüterin Clara Woltering. Und sie bekommen gar Beistand von den populären Männern: „Wir haben den Titel schon, jetzt seid ihr dran“, ermuntert beispielsweise Pascal Hens, Rückraum-Star des HSV Hamburg, die weniger prominenten Kolleginnen. Doch so forsch diese Töne auch wirken: Dass die Frauen tatsächlich eingreifen können in den Titelkampf, wenn sie heute gegen Olympiasieger Dänemark (20.10 Uhr, live im DSF) ins Turnier starten, will angesichts der jüngsten Vergangenheit kaum einer glauben. „Die Chancen stehen nicht so günstig, wie die Vorbereitung gezeigt hat“, sagt selbst Bundestrainer Ekke Hoffmann – fünf Siege standen sechs Niederlagen gegenüber.
Dafür ist einerseits die Gruppe in Békéscsaba mit Dänemark, Rumänien und Schweden zu stark besetzt, so dass erst einmal Platz drei und die Hauptrunde erreicht sein will. Noch dazu scheiterte die Nationalmannschaft zuletzt stets dann, wenn es drauf ankam: So wie bei der WM 2003 in Kroatien, als man nach einer sensationellen Vorrunde schon von einer Medaille träumte, aber dann reihenweise Spiele mit jeweils einem Tor Unterschied verlor und am Ende mit dem zwölften Platz sogar noch die Olympia-Qualifikation verpasste, das zweite Mal nacheinander nach 2000.
Zum engeren Favoritenkreis zusammen mit Dänemark, Ungarn, Russland und Frankreich zählen die deutschen Frauen jedenfalls nicht. Dabei ist ein gutes Abschneiden bei einem großen Turnier fast überlebenswichtig für den Frauenhandball hier zu Lande, der in den letzten Jahren, da die Erfolge nach dem dritten Platz bei der WM 1997 in Deutschland ausblieben, fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. „Seitdem der deutsche Frauen-Handball Ende der 90er-Jahre abgestürzt ist, wird er nur noch regional wahrgenommen“, seufzt Hoffmann, auch die Liga kann nämlich seit 1996 in den europäischen Wettbewerben nicht mehr mithalten. Seither repräsentieren fast ausschließlich die erfolgreichen Männer diesen Sport in der Öffentlichkeit – und das, obwohl Handball im Ersten Weltkrieg als reines Frauenspiel konzipiert worden war.
Allein in Hochburgen wie Oldenburg, Buxtehude, Leverkusen, Trier, Leipzig oder Frankfurt (Oder) kommen mal über 2.000 Zuschauer zu den Bundesligaspitzenspielen, das Fernsehen ignoriert den Ligahandball freilich völlig. Und wenn nun das DSF überträgt, hat das vor allem damit zu tun, dass die TV-Rechte im Verbund mit der Männer-EM erworben wurden. Von Reichweiten wie beim WM-Halbfinale 1997, als 1,1 Millionen TV-Zuschauer die deutsche Niederlage gegen Dänemark verfolgten, sind die Frauen derzeit weit entfernt – und das DSF kommentiert folgerichtig nicht vor Ort, sondern aus einer Übertragungsbox im Studio in München. „Wenn wir jetzt nicht unter die ersten sechs kommen, wird sich die bescheidene Öffentlichkeit auch nicht ändern“, befürchtet Hoffmann. Doch selbst große Erfolge wie die WM-Titel 1993 „haben kaum etwas gebracht“, wie sich Andreas Thiel erinnert. Die Torwartlegende hat, da er Leverkusens Torhüterinnen Woltering und Englert trainiert, in den letzten Jahren Einblick gewonnen in den Frauenhandball – und wird das erste Spiel heute als Co-Kommentator begleiten.
Ekke Hoffmann, von Beruf Lehrer für Geschichte und Englisch, indes ist froh, mit Milica Danilovic (29, Leipzig) einen angemessenen Ersatz für die handmalade Halblinke Nicole Krause (Leverkusen) parat zu haben. Neben ihr spielen die Spielmacherin Heike Schmidt (33, Oldenburg) und Kreisläuferin Kathrin Blacha (34, Nürnberg) einen zentralen Part; für beide ist es das letzte Turnier. Die größte Verantwortung indes schultert die wurfgewaltige Halbrechte Grit Jurack (27), der einzige Superstar im deutschen Team. „Eigentlich sind wir mal dran“, sagt die Leipzigerin, die sogar mit einer Medaille spekuliert. Sie kann mit Erwartungsdruck umgehen, denn sie spielt seit Sommer 2004 beim dänischen Topklub Viborg HK und verdient, da Frauenhandball dort in der Publikumsgunst noch vor Männerfußball steht, als einzige deutsche Handballerin eine sechsstellige Summe. Alle anderen Spielerinnen im DHB-Team hingegen sind Halbprofis oder lupenreine Amateure, die zumindest für zehn Tage auf sich und ihren Sport aufmerksam machen wollen.