Krudes vom Kap

„Der Südafrika Deutsche“ erscheint in Pretoria und verbreitet unbehelligt das krude deutschnationale Gedankengut des „Schriftleiters“ Horst Graefe

von CHRISTIAN FUCHS

In der Zeitung von Horst Graefe hat das deutsche Wort noch Wert. Hier heißt der Chefredakteur noch „Schriftleiter“ und das Au-Pair-Mädchen noch „Haustochter“. Dabei erscheint seine Zeitung Der Südafrika Deutsche (SD) in Pretoria, 9.000 Kilometer von Deutschland entfernt. Amtssprachen am Kap der Guten Hoffnung sind Englisch und Afrikaans. Graefe scheint das egal zu sein. Er schreibt für „tausende Deutsche“ im südlichen Afrika und auf der ganzen Welt. Das Blatt geht seit 14 Jahren auch nach Spanien, Australien und vor allem nach Deutschland. Und weil die Zeitung „oft abgelichtet wird“, habe sie 1.000 bis 2.000 Leser, sagt Graefe.

„Liedermacher“ Frank Rennicke, der wegen Volksverhetzung vorbestraft ist, schrieb hier. Der ehemalige NPD-Bundesvorstand Per Lennart Aae und der unbeirrbare Revisionist Manfred Roeder durften im SD veröffentlichen. Unbeeinflusst von der Tatsache, dass Roeder wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung, Volksverhetzung und schwerer Verunglimpfung des Staates über acht Jahre im Gefängnis saß. Auch Claus Nordbruch („Sind die Gedanken noch frei?“) gehört zu den regelmäßigen Schreibern. Der „Autor von Sach- und Fachbüchern“, der nach Südafrika auswanderte, taucht in den Verfassungsschutzberichten des Bundes 1998 und 1999 auf. Andere Autoren des SD auch. Doch die Gazette ist dem Verfassungsschutz unbekannt. „Wir können über diese Zeitschrift nichts sagen, weil sie außerhalb unseres Zuständigkeitsbereiches liegt“, so ein Sprecher des Amtes gegenüber der taz. Es handle sich bei dem Blatt nicht „um im Inland aktive Einzelpersonen oder Organisationen“, so der Sprecher. Denn per Post nach Deutschland versendete Presseerzeugnisse beobachtet man nicht aus den Kölner Amtsstuben.

Kein Impressum

Das weiß Horst Graefe ganz genau. In freundlichem Hessisch erklärt er dem Anrufer, dass es einen Grund habe, warum er kein Impressum veröffentlicht, und dass er „sich in rechtlichen Dingen auskenne“. Seine Zeitung erscheine nicht unter deutschem Presserecht, er habe deshalb „keine Angst die Wahrheit zu schreiben“ – wenn es deutsche Medien schon nicht täten.

Die Wahrheit. Das ist bei Graefe der Abdruck des „Deutschlandliedes“ mit allen drei Strophen und in Fraktur. Das ist Hetze gegen die deutsche Justiz („Ihr Herren Richter, die ihr im Namen des Volkes eure Schandurteile aussprecht“), gegen „geistige Vergiftung“ und gegen „Homosexualität als Todestrieb“. Manchmal trifft es auch die „Kommunisten“ und „Neger“ vom ANC, der Partei Nelson Mandelas. Wie zur Bestätigung erklärt Graefe am Telefon ungefragt, dass Südafrika ein „weißes Land“ sei und erst später „Schwarze zugewandert“ seien. Außerdem sei Lady Diana durch den israelischen Geheimdienst Mossad ermordet worden.

Zwischen den eigenen Texten erscheinen auch offene Briefe an den Verfassungsschutz und Nachdrucke aus anderen deutschsprachigen Zeitungen. Meist sind es ausgeschnittene Artikel, die Graefe wiederveröffentlicht. Die Texte sind entweder erstmalig im National Journal, der Nationalzeitung oder in Der Wikinger erschienen. Manche Texte haben Graefe und seine 10-köpfige Mannschaft aber auch „linken Blättern“, wie der Stuttgarter Zeitung oder der Süddeutschen, entnommen. Artikel aus diesen Zeitungen werden gern mit den Worten „Antinationale Medienhetze“ für die Leser eingeordnet. Die Afrika-Korrespondentin der SZ, Susanne Bittorf, wusste nichts von dieser Art „Zweitverwertung“ eines ihrer Texte. Sie macht sich jetzt Gedanken, ob sich die Zeitung nicht sogar strafbar mache wegen des nicht genehmigten Nachdrucks. Horst Graefe sieht’s gelassen. Er wisse meist nicht, wo die ausgeschnittenen Texte herkämen: „Wenn es gerade passt, kommt es in die Zeitung“, sagt er.

Unsinn mit Wirkung

Eine kleine Zeitung, könnte man sagen, wird da weit weg von Deutschland zusammengebastelt. Doch mit großer Wirkung. So stand die Adresse des Südafrika Deutschen jahrelang auf den Internetseiten des renommierten PR-Portals www.communication-college.com. Noch während des Gesprächs mit der taz löschte der Betreiber der Seite, Ingo Reichardt, die Informationen. Ihm war nicht bewusst, welche Gedanken er da bewarb. „Rechtsextreme Blätter haben hier nichts zu suchen“, empört sich Reichardt und möchte solche Zeitungen auf keinen Fall „hoffähig“ machen.

Unterdessen überlegt Schriftleiter Graefe, ob er seine Zeitung überhaupt weiter machen soll. Nur durch Spenden könne er kostendeckend arbeiten und „ständig“ hätte er „nur noch die Zeitung im Kopf“, sagt er. Doch aufhören kann er nicht. Das ist er seinen Lesern schuldig. Und wo sonst sollte der Buchhändler Graefe dann die Anzeigen seines „Hutten Buchdienstes“ veröffentlichen. Nur dort gibt es noch Bücher mit Titeln wie „Der erfolgreichste Jagdflieger der Welt“.