: „2006 ist Afghanistan unter Nato-Kontrolle“
Der Nato-Repräsentant in Kabul, Hikmet Cetin, glaubt, dass das westliche Bündnis sein Kommando schrittweise auf ganz Afghanistan ausdehnt. Die Verschiebung der Parlamentswahlen und das Besprühen der Opiumfelder lehnt er ab
taz: Die Macht der Nato-geführten Friedenstruppe Isaf war bisher auf Kabul beschränkt. Wann wird der Einsatz ausgeweitet?
Hikmet Cetin: Unser Mandat besagt, dass Nato-Isaf die Verantwortung in ganz Afghanistan übernehmen soll. Mit der internationalen Gemeinschaft hatten wir uns geeinigt, vor der Präsidentschaftswahl den Norden unter Nato-Kommando zu stellen. Das geschah auch. Jetzt ist die Expansion nach Westen geplant. Die Nato sucht dafür zwar noch Truppensteller, ist sich aber im Grunde einig, die Wahlen zu unterstützen. Dazu müssen wir bald deren Termin wissen. Den Süden könnte Isaf in der zweiten Hälfte 2005 übernehmen. Ich denke, bis 2006 hat die Nato die Verantwortung und das Kommando im ganzen Land inne.
Der Osten ist die instabilste Region, dort agieren noch al-Qaida, Taliban sowie Warlords. Zudem ist es eine der Hauptopiumregionen. Sollte Isaf nicht zuerst dorthin?
Die US-geführten Koalitionstruppen agieren dort bereits. Einige Nato-Länder zögern aber, dort den Kampf gegen den Terrorismus aufzunehmen. Ich hoffe, dass sich die Situation im Osten bis 2006 verbessert. Davor kann ich mir dort keine gemeinsame Mission vorstellen.
Wie beurteilen Sie, dass die USA dort Opiumfelder durch Besprühen vernichten?
Niemand kann den Einsatz von Flugzeugen bei der Opiumvernichtung gutheißen. Das ist extrem gefährlich. Präsident Karsai ist strikt dagegen. Ohne seine Genehmigung sind solche Einsätze ohnehin illegal. Es wird berichtet, dass ein solcher Einsatz stattgefunden haben soll. Dazu gibt es jetzt in Kabul einen Untersuchungsausschuss.
Sie sind gegen die jetzige Vernichtung der Opiumfelder?
Ohne ein allseits akzeptiertes Programm schafft die vorschnelle Vernichtung von Opiumfeldern viele neue Probleme. Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen, aber noch wichtiger ist, dass alle Akteure an einem Strang ziehen. Die internationale Gemeinschaft muss zu stärkerer finanzieller Unterstützung bereit sein, sonst wird es für die Opiumbauern keine Alternative geben.
Welche Wege sehen Sie?
Ohne den Bauern Alternativen zu vermitteln, wird es nicht gehen. Wir brauchen realistische Ideen. Bis zu einer Gesamtlösung wird es Jahre dauern.
Was ist so schwierig daran?
Viele Bauern würden lieber heute als morgen aufhören, Opium anzubauen. Das Hauptproblem ist, dass Afghanistan seit rund acht Jahren unter extremer Dürre leidet und leider fast nur die Mohnpflanze das aushält. Daher muss die internationale Gemeinschaft den Bauern finanziell helfen, nach anderen Lösungen zu suchen. Dann könnte der Anbau Schritt für Schritt zurückgehen.
Noch ist nicht bekannt, wann die Parlamentswahlen stattfinden. Ist Afghanistan denn überhaupt reif dafür?
Die Afghanen wollen die Vergangenheit hinter sich lassen. Sie wollen den Wandel, dafür haben sie sich in die Wählerschlangen der Präsidentenwahl eingereiht. Vielleicht wird die Sicherheitslage bei den Parlamentswahlen prekärer sein, aber nicht wegen der Wähler, sondern wegen der Kandidaten. Es wird insgesamt 4.000 Kandidaten geben für Distrikte, Provinzen und das nationale Parlament. Es gibt noch Stämme und Fraktionen, was die Lage gefährlich macht. Zudem müssen die Wahlkreise festgelegt werden und in jeder Provinz ein Zensus vorliegen, da wir wissen, um wie viele Plätze jeweils kandidiert werden kann.
Die UN versuchen, mit sanftem Druck die Wahlen zu verzögern.
Es ist nicht hilfreich, die Wahlen weiter zu verzögern. Wir haben versprochen, dass sie Ende April oder Anfang Mai stattfinden. Es gab bei der Präsidentschaftswahl unterlegene Kandidaten, denen muss die Chance eröffnet werden, ins Parlament einzuziehen.
Wann endet der Nato-Einsatz in Afghanistan?
Wenn Afghanistan für seine Sicherheit ausreichend Polizei- und Armeekräfte hat. Wichtig ist, dass die Afghanen wissen, dass wir keine Besatzungsmacht sind, sondern hier sind, um zu unterstützen. Ich sehe Afghanistans Zukunft grundsätzlich optimistisch. Aber es wird dauern.
INTERVIEW: CEM SEY