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Archiv-Artikel

Urlaub behindert Arbeitskampf

Beim Bochumer Bekleidungsunternehmen Steilmann kämpft die IG Metall aus dem Urlaub den Klassenkampf, der Betriebsrat um Arbeitsplätze und das Familienunternehmen um sein Ansehen

VON ELMAR KOK

Vor einem Monat ging es der Textilindustrie im Westfälischen noch richtig gut. Da lud ihre Gewerkschaft IG Metall anscheinend blauäugig und ohne Kenntnis der Schieflage bei Steilmann zu einem Treffen in die Provinz. Zusammen mit ihren Arbeitgebern wollte die Gewerkschaft bei Gerry Weber in Halle/Westfalen zeigen, wie sich die Branche aus der Baisse freigeschwommen hat. Im Textil- und Tennismekka Nordrhein-Westfalens demonstrierten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam, wie Strukturwandel im westfälischen Textilhandwerk geht. Den Niedergang des Textilkonzerns Steilmann hatten die Funktionäre verschlafen. Schließlich sei der Strukturwandel geschafft und die Exporte stiegen wieder, lobhudelten die Metaller. Nun hat Steilmann verkündet, jeden zweiten Job im Unternehmen zu streichen. Thema der Gewerkschaftsveranstaltung am 26. November: „Bekleidungsindustrie mit Zukunft“.

Die Zukunft beim Wattenscheider Großschneider Steilmann sieht momentan eher düster aus. Die Rettung der Arbeitsverhältnisse und die Verhandlungen über die Höhe der Abfindungen beim Wattenscheider Textilunternehmer Steilmann geraten immer mehr zu einem Konkurrenzspiel zwischen IG Metall auf der einen und der Konzernleitung und des Betriebsrates des Unternehmens auf der anderen Seite.

Nachdem der Bochumer IG Metall-Sekretär Ludger Hinse am Betriebsrat vorbei die Beschäftigten des Unternehmens aufgefordert hatte, mit Massenklagen auf die Kündigungen zu antworten, kontert das Unternehmen mit der Behauptung, die Bochumer Metaller wären nur sauer, dass sich das Unternehmen als Betreiber der Beschäftigungsgesellschaft nicht die von den Gewerkschaftlern gewünschte Anwaltskanzlei ausgesucht habe. Unternehmen und Betriebsrat hätten sich schließlich aus guten Gründen für eine andere Kanzlei entschieden. Im Übrigen seien die zwischen Betriebsrat und Unternehmen ausgehandelten Sozialpläne so gestrickt, dass das Unternehmen auch um die noch verbleibenden Arbeitsstellen Sorge tragen könne. Jetzt vermuten Betriebsrat und Unternehmen gemeinsam, die IG Metall wolle die zu kurz gekommene Kanzlei mit den Klagen gegen die Entlassungen entschädigen.

Betriebsrat Hans-Werner Bukowski und Geschäftsführerin Ute Steilmann werfen dem Metaller Hinse vor, er versuche sich „mit klassenkämpferischen Äußerungen auf dem Rücken der Beschäftigten persönlich zu profilieren“. Über Weihnachten macht der Klassenkampf erstmal Pause. Weder über das Bochumer Büro noch über die von der Gewerkschaft verteilten Mobil-Nummern gibt es Informationen zum Arbeitskampf. Lediglich Bezirkssekretär Karlo Sattler meldet sich: „Über den Streit mit den Anwaltskanzleien weiß ich nichts. Ich bin ja seit Donnerstag Abend in Urlaub.“ Das wirft Betriebsrat Bukowski den Funktionären der Gewerkschaft auch vor: „Ich kann mich nicht hinter die Zeitung setzen, schimpfen und wenn es dann um etwas geht, bin ich im Urlaub. Die wollen sich doch bloß für die Vorstandswahlen im nächsten Jahr gut aufstellen.“