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Archiv-Artikel

Anstiftung zur Raum-Guerilla

Machtvolle Orte oder einsame, Furcht einflößende oder schlicht wirre – alle sollen sie darin Platz haben. Platz im wandernden Bremer Raum-Museum. Wann und wo das zum ersten Mal auftauchen wird, hängt ganz von den Bremerinnen und Bremern ab

„Die Bewohner einer Straße könnten ihre Autos alle der Größe nach parken“

Vielleicht hissen sie ihre Flagge im Zimmer des Bürgermeisters. Vielleicht im Tresor der Sparkasse, vielleicht auf dem Weihnachtsmarkt. Noch weiß keiner, wo das Raummuseum seinen ersten Ort finden wird. Klar ist nur: Es wird kommen und gehen und kommen und gehen. Arie Hartog, Kurator des Gerhard-Marcks-Hauses, und der Bildhauer Gunther Gerlach haben die Idee eines Museums entwickelt, das nicht den Inhalt ausstellt, sondern den Raum drumherum. Sie wollen Orte in der Stadt suchen, die irritieren oder Angst machen, die einen jubeln lassen oder lamentieren – und dort ihre orangene Raummuseumsflagge hissen, fertig ist die Ausstellung. Ein „nomadisches Museum“ nennen sie das.

Viele Menschen hätten überhaupt kein Gefühl mehr für den Raum, der sie umgibt, sagt Hartog. „Manche Kinder wissen nicht, dass ihre Nase weiter vorne ist als ihre Wange.“ Sie lebten in einer flachen Welt, geprägt von Monitoren, in der Raum nur noch zu sehen ist, aber nicht mehr zu spüren. „Augenmassage, statt Ganzkörpermassage“, so Hartog.

„Ganzkörpermassagen“ nun soll das Raum-Museum wieder möglich machen – und dabei ganz unterschiedliche Themen ansprechen. Raum und Macht wäre ein Thema im Bürgermeisterzimmer: „Wir könnten das Zimmer von Herrn Scherf leer machen, den großen Schreibtisch und die Ölgemälde hinaustragen, und dann schauen: Ist das noch ein Raum, der Macht ausstrahlt?“, sagt Hartog. Raum und Angst in den Unterführungen der Stadt, Raum und Grundlage in einer Baugrube, Raum und plumpe Dimensionen im Space Park, zählt Gerlach weitere mögliche Projekte auf.

Doch halt: Die beiden Raum-Planer wollen nicht ihre eigenen Ideen verwirklichen, sondern die Anregungen von Bremer BürgerInnen auf ihrer Internet-Seite sammeln und diskutieren – und dann umsetzen. „Wir bieten nur die Infrastruktur, die Anstöße kommen von Anderen.“ Infrastruktur heißt: Der in Gründung befindliche Verein „Raum-Museum“ informiert die Öffentlichkeit über die nächste Ausstellung, öffnet die betreffenden Räume und stellt einen Raum-Kundigen. Der wird die Besucher in Empfang nehmen und in die jeweilige Ausstellung einführen. Teuer ist das nicht, „wir machen Kultur ohne viel Geld“, preist Hartog – Eintritt kostenlos.

Die Besucher sollten den Raum hinterfragen, sagt Gerlach. „Erkennen, dass sie Einfluss auf ihren Lebensraum haben.“ Politisch, als Bürgerinitiative. Oder privat, als Menschen, die gestalten wollen. „Zum Beispiel könnten sich die Bewohner einer Straße entscheiden, ihre Autos der Größe nach zu parken, von klein nach groß“, erklärt Gerlach. „Was glauben Sie, was das ästhetisch mit einem Ort macht!“ Raumguerilla? Ja, Raumguerilla!

Eine wilde Party, eine spektakuläre Eröffnung des Raum-Museums wird es indes nicht geben. „Es wird einfach irgendwann da sein“, so Gerlach. Und bleiben, nur eben immer an einem anderen Ort, immer für einige Tage. Also Augen auf und räumlich gedacht! Vielleicht wollen Sie ja mal Ihr Wohnzimmer ausstellen.

Dorothea Siegle

Ideen? www.raummuseum.de