: Das geht vor die Hunde
Pest & Cholera: Was sind das nur für Menschen, die ihren Kötern in der Vorweihnachtszeit die Krallen lackieren? Und wer verkauft Adventskalender für Katzen mit Knabbereien aus Rindsgekröse?
Letztes Jahr hab ich schon gedacht, ich müsste Bomben basteln, als ich in einer an sich unauffälligen Drogerie Hundeparfum entdeckte. Das muss man sich mal vorstellen: In drei verschiedenen Duftnoten, eine davon hieß „Puppy“. Hätte ich einen uralten, zahnlosen, lefzensabbernden, räudigen Stinkehund in meinem Bekanntenkreis, ich hätte ihm das bestimmt geschenkt. Oder seinem Herrchen.
Aber dieses Jahr ist es noch schlimmer gekommen. Mein Hals ist rau, weil ich beim Arzt im Wartezimmer so laut „Igitt!“` gebrüllt habe, als ich in einem dieser Satiremagazine, die sich als Frauenzeitungen verkleiden, einen ernst gemeinten Weihnachtsgeschenktipp für Hundenagellack gesehen hab.
„Pawlish Nail Polish“, das bedeutet in etwa Krallenlack, dazu gab’s gleich die passenden „Paw Pads“ zum Entfernen, und auf der Packung ist eine Bernhardinertöle mit rosa lackierten Tatzen. Sieht, nun ja, fesch aus. Vor allem, wenn man sich vorstellt, wie sie damit im Friedhofsboden buddelt, weil sie einen alten, verwesten Knochen erschnüffelt hat.
Das mit den Hündinnenhygieneartikel, über die ich mich jetzt nicht weiter auslassen möchte, hatte ich ein paar Jahre zuvor glücklich verdrängt. Wollte nie wieder daran denken. Aber nun brach natürlich alles wieder auf: Was sind das nur für Menschen, die ihren Kötern in der Vorweihnachtszeit die Krallen lackieren?
Anscheinend nicht die gleichen, die dafür verantwortlich sind, dass die Vorweihnachtskonjunktur in diesem Jahr laut jammernden Händlern sehr zu wünschen übrig lässt … Im Zweifelsfalle bin ich normalerweise immer für den Einzelhändler, aber momentan denke ich: Läden, die Hundenagellack anbieten, haben es auch verdient, Bankrott zu gehen. Genauso wie die, die CDs mit Hunde-, Katzen- und Goldfischmusik im Sortiment haben, und, oh Gott, Adventskalender für Hunde und Katzen, mit 24 „Knabbereien“ aus getrocknetem Rindsgekröse.
Ebenfalls platt machen würde ich übrigens sämtliche Geschäfte, die diese Vorhänge aus Plastikplättchen oder Ringen oder Scheiben führen. Nicht, dass ein solcher Plastikplättchenvorhang sich an berufener Stelle nicht hervorragend machen könnte. Aber sie sind inflationär, die Plastikvorhänge. Hat der Zimmermann dafür vielleicht das Loch gelassen? Will man in den modernen Studi-Streik-WGs nicht auch mal unter sich sein, beziehungsweiseunter seinem Kommilitonen?
Oh, wenn ich nur anfange, darüber nachzudenken, was der angeblich so gebeutelte Einzelhandel wagt, zum Fest anzubieten … das Herz im Leib könnt mir zerspringen. CD-Compilations mit der Musik von Modenshows zum Beispiel, oder CD-Compilations, die (ausgerechnet) Bayern-München-Spieler in ihrer Freizeit zusammenstellen. In der sollten sie mal lieber ein gutes Buch lesen. Oder Wimpernbiegezangen. Oder, der Gipfel: Handytaschen.
Um mich abzuregen, werfe ich sofort meinen aktuellen Lieblingsfilm in den Videorecorder: „Aquarium“ heißt er und zeigt 60 Minuten lang ein kleines Heim-Riff mit azurblauem Wasser, ein paar Wasserpflanzen und etwas, das aussieht wie ein Blumenkohl. Dazwischen schwimmen vier blaue, ein roter, ein gelber und – ganz selten! – auch ein etwas fieser schwarzer Fisch herum.
Das Aufregendste passiert in Minute 37: Da kommt plötzlich einer der blauen Fische von rechts angesaust, sorgt für Bewegung unter den anderen Blauen, und dann schwimmen sie alle schwanzwedelnd wieder nach rechts aus dem Bild. Puh. Keine Ahnung, was der Fisch hatte, aber „Aquarium“ ist ein toller Film, und auch als Geschenk extrem praktisch und empfehlenswert.
Danach bin ich entspannt. Kann mich jetzt wieder wahren, einzelhandelsunabhängigen Geschenkideen widmen, mit Kartoffeldruck hergestelltes Geschäfts-Briefpapier etwa, oder selbst geklebte Herbstlandschaftscollagen aus Sonnenblumenkernen, Mohn und irgendwelchen Blumensamen. Darüber hat sich meine Familie früher schließlich auch gefreut. Und es ist wirklich besser für die Nerven.