: Ein Aroma wie die Alpen
Mit ökologischem Landbau und Bienenfleiß für den guten Geschmack arbeiten: Der kommt dank artgerechter Haltung und natürlicher Verarbeitung ins Honigglas – in Form von Himbeer-, Edelkastanien- und Kräuteraromen, die heiß begehrt sind
VON RENÉE HERRNKIND
Günther Friedmann kommen morgens weder Müsli noch Käsebrot, weder Marmelade noch Wurst auf den Tisch: Der Demeter-Imker verfrühstückt selbst gebackenes Vollkornbrot mit Butter und Tannenhonig. „Der Weißtannenhonig aus dem Schwarzwald ist dieses Jahr einfach unvergleichlich, würzig-aromatisch und dabei doch mild, mein absoluter Favorit“, schwärmt der 48-Jährige. Anderen geht das Herz auf, wenn sie ihre Nase in – pardon: über – den Sommerblütenhonig stecken, der nach Himbeeren duftet und schmeckt.
Sortenreine Honige bieten den Genuss der jeweiligen Landschaft und der entsprechenden Tracht, sprich: des Blütenangebotes der Saison. Das kann dann eben die Himbeere sein – oder die Edelkastanie, aus deren Nektar die Bienen dann einen herb-würzigen Honig machen. Eine echte Rarität und jetzt im Dezember längst ausverkauft ist der Gebirgsblütenhonig aus den Allgäuer Alpen. Wie der schmeckt? „Na genau so, wie man sich die Alpen vorstellt, würzig, nach vielen Kräutern duftend, ein großartiges Aroma“, beschreibt Friedmann das, was er in wenigen Gläsern geerntet hat.
Der Bio-Imker von der Schwäbischen Alb hat Lehrgeld bezahlt. Zum ersten Mal mit ihrem Besitzer in die Allgäuer Alpen gereist, zeigten sich die fleißigen Sammlerinnen nicht optimal angepasst an die Lage mit dem rauen Klima, kamen mit Wetterrückschlägen längst nicht so gut klar wie in der vertrauten Heimat rund um Steinheim bei Heidenheim an der Brenz. „Im Gebirge muss ich anders imkern“, ist ihm klar geworden. Also gibt es nächstes Jahr eine neue Chance – und die Kunden lassen sich schon mal auf die Vorbestellliste für Gebirgshonig des Jahrgangs 2005 setzen. Schließlich sind die sortenreinen Honige was Besonderes. 60 Prozent des Honigs müssen dafür aus einer Blütenart stammen. Das lässt sich über den optimalen Standort in der Region regeln, über die sensorische Prüfung und eine chemische Analyse nachweisen.
400 Bienenvölker betreut Friedmann, der im letzten Jahr von Renate Künast mit dem Förderpreis Ökologischer Landbau ausgezeichnet worden ist. Als Demeter-Imker geht es ihm darum, seine Tiere wesensgemäß und artgerecht zu halten. „Bei Schweinen oder Kühen ist das längst im Bewusstsein vieler Menschen, bei Bienen dagegen für die meisten noch reichlich fremd.“ Dabei seien die Auswüchse der Massentierhaltung auch für die Massenproduktion von Honig längst üblich: künstliche Besamung, Ertragssteigerung durch Zufütterung, Verhinderung des Schwarmtriebes und des Wabenbaus, Chemie gegen Schädlinge und Krankheiten, Wärmebehandlung des Honigs, Rückstände bis hin zu Gen-Verunreinigungen.
Der Förderpreis hat die Aufmerksamkeit auf die Öko-Imkerei gelenkt. Ein Effekt, der der gesamten Berufsimkerei zugute kommt. Die hat Nachwuchssorgen, jedes Jahr werden 1 Prozent weniger Imker und 1 Prozent weniger Bienenvölker in Deutschland gezählt. Friedmann mahnt: „Das hat nicht nur Auswirkungen auf den Honigmarkt. Bienen und Imker erfüllen eine wichtige ökologische Aufgabe.“
Deshalb engagiert sich der emsige Schwabe im „Netzwerk blühende Landschaften“ – keine Anlehnung an Helmut Kohl, sondern eine Initiative für blütenreiche Kulturlandschaften. In den letzten Jahren leiden die Bienen nicht nur unter Pestiziden und Milben, sondern vermehrt auch am mangelnden Nahrungsangebot angesichts ausgeräumter Landschaften. Für den Bio-Pionier ein gesellschaftlich relevantes Thema, weniger ein persönliches Problem. Rund zehn Tonnen Honig haben ihm seine Völker in diesem Jahr erarbeitet. Und seine genießerische Kundschaft ist treu.