: Weniger Diskretion bitte!
Das Berliner Kunstgewerbemuseum hat eine bedeutende Modesammlung erworben, hält sich aber mit der Öffentlichkeitsarbeit zurück. Will man sich langsam an die eigene Großartigkeit gewöhnen?
VON KATRIN KRUSE
Vivienne Westwood hat sie gesehen und war begeistert. Das mag man glauben: Bisher schickt die Modeprofessorin der Berliner Universität der Künste ihre Studenten noch zum Kostümstudium in die Gemäldegalerie: Auf den Bildern ist ja auch die historische Kleidung verewigt. Demnächst wird man nebenan aber die Kostüme selbst sehen können. Denn das Kunstgewerbemuseum hat bereits Anfang 2003 die umfangreiche internationale Modesammlung Kamer/Ruf erworben, 700 Kostüme und 800 Accessoires. Seltsam jedoch: Bis heute scheint das Museum den Erwerb nicht an die große Glocke hängen zu wollen.
Dabei fing alles so ambitioniert an. 2003 hieß es, das Museum komme mit der Sammlung dem Ziel, ein „Museum für Design und Mode“ zu werden, einen großen Schritt näher – und man sehe sich in Sachen Mode gleichauf mit dem Londoner Victoria and Albert Museum. Ein ambitionierter Vergleich. Die ständige Sammlung moderner Mode des V & A – die derzeit geschlossen ist und im Februar 2006 wiedereröffnet – umfasst immerhin 130 Kostüme, rund 50 werden zusätzlich in Wechselausstellungen zu sehen sein.
Doch die Sammlung Kamer/Ruf scheint in der Tat bemerkenswert. Allein 280 Kostüme stammen aus dem 19. Jahrhundert, in dem Charles Frederik Worth die Haute Couture begründete; jedes Jahrzehnt dabei „variantenreich darstellbar“. Die Sammlung des 20. Jahrhunderts enthält Kleider von fast 50 namhaften europäischen und amerikanischen Couturiers, darunter Paul Poiret, Mariano Fortuny, Madeleine Vionnet, Christobal Balenciaga, Coco Chanel, Rudi Gernreich, Yves Saint Laurent sowie Christian Dior: der „New Look“ der späten Vierzigerjahre etwa. Dazu kommen Accessoires – Knöpfe, Schuhe, Stolen. Die Kulturstiftung der Länder begründete die Unterstützung des Ankaufs wie folgt: „Die auf dem internationalen Markt beispiellose Kollektion erhebt das Museum in der einstigen Modestadt Berlin zu einer der führenden Modesammlungen.“ Dies zu vermitteln, hat sich das Kunstgewerbemuseum bisher diskret zurückgehalten.
Sicher, noch immer ist unklar, wann und in welchem Umfang die Sammlung zu sehen sein wird, und man will, so heißt es aus dem Museum, „keine Erwartungen wecken, die man dann nicht erfüllen kann“. Doch besser Erwartungen als gar keine Besucher. Die Direktorin Angela Schönberger spricht von einer ersten Präsentation im Frühjahr 2006. Vorher allerdings sind Baumaßnahmen geplant, und das ausführende Berliner Architekturbüro Kühn Malvezzi, das auch die Rieck-Hallen für die Sammlung Flick umgebaut hat, hat Zweifel, ob es realistisch ist, vor Anfang 2007 zu zeigen.
Vielleicht ist es keine schlechte Sache, wenn man sich noch Zeit nimmt bis 2007. Dann könnte man sich wirklich langsam an den Gedanken gewöhnen, dass man eine großartige Modesammlung erworben hat – die durchaus großartiger in die Welt gebracht werden kann als mit einem zarten Zimbeln.