„landser“-urteil : Standards gegen Nazimusik
Endlich mal wieder ein Erfolg für Kay Nehm. Das Berliner Kammergericht folgte gestern seiner Ansicht, dass die Neonazi-Band Landser eine „kriminelle Vereinigung“ ist. Die Bundesanwaltschaft (BAW) hat mit diesem Verfahren Neuland betreten. Zuletzt hatte der Generalbundesanwalt Rückschläge hinnehmen müssen: Im Hamburger Terrorhelfer-Verfahren wurde der Islamist Mzoudi freigelassen – eine Verurteilung wegen Beteiligung an den Anschlägen vom 11. September 2001 wird immer unwahrscheinlicher. Und in Halle weigerte sich das Oberlandesgericht letzte Woche, drei militante Linksradikale als „terroristische Vereinigung“ zu verurteilen. Die BAW hatte das beantragt.
KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH
Wenn es gegen Rechtsextremisten geht, scheint Nehm die Strafgerichte eher von seinen Vorstellungen überzeugen zu können. Dabei ist er kein stupider Schlagdrauf, vielmehr überlegt er sich meist genau, wo es sich lohnt, Flagge zu zeigen. So hat Nehm seit 1999 mehrfach die Ermittlungen bei rechtsextremistischen Gewalttaten übernommen, für die eigentlich die Landesstaatsanwaltschaften zuständig waren, etwa, als in Eggesin zwei Vietnamesen halb tot geschlagen wurden. Stets bezeichnete Nehm sein Eingreifen als Signal dafür, „dass die deutsche Justiz solche Gewalttaten besonders ernst nimmt“.
Auch mit der Anklage der „Landser“-Mitglieder als kriminelle Vereinigung hat die BAW ein Zeichen gesetzt. Organisierte Volksverhetzung wird besonders ernst genommen, wenn sie in Form von Rockmusik versucht, ein Klima der Gewaltbereitschaft zu schaffen. Allerdings wirken Nehms Signale wohl kaum als Abschreckung in die Szene hinein. Den Betroffenen dürfte es relativ egal sein, ob sie „nur“ wegen Volksverhetzung oder auch wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ verurteilt werden. Auch der Kontakt mit einem Bundesanwalt dürfte sie nicht besonders beeindrucken.
Vielmehr versucht Nehm Standards für Justiz und Gesellschaft zu setzen. Die Staatsanwaltschaften der Länder werden ihm vermutlich folgen. Aber ob auch in Jugendhäusern und auf Schulhöfen künftig härter gegen Nazirock vorgegangen wird, ist zu bezweifeln. Wenn es gegen die kulturelle Hegemonie der Rechtsradikalen geht, wirken harte Strafurteile eher hilflos. Vermutlich ist es Jugendlichen leichter klar zu machen, dass man Menschen mit anderer Hautfarbe nicht totschlagen darf, als dass man bestimmte Musik nicht hören soll.