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Archiv-Artikel

Dokumente mit einem Scanner gefälscht

Der Bilanzskandal beim italienischen Milchmulti Parmalat hat sich zum schweren Betrugsfall entwickelt

BONN taz ■ Manchmal reicht eine kleine Investition, um riesige Gewinne einzustreichen. Die Parmalat-Finanzgenies jedenfalls mussten nur ein paar hundert Euro für einen Scanner aufwenden, um sich 3,95 Milliarden Euro gutzuschreiben, wie die Staatsanwälte jetzt bei ihren Ermittlungen zu dem riesigen Bilanzloch des in Parma beheimateten Milch- und Lebensmittelmultis herausfanden.

Parmalat hatte den Milliardenbetrag als Cash-Aktivposten in die Bilanz 2002 eingestellt. Als Beleg diente ein Schreiben der Bank of America, das die Existenz eines Kontos der Parmalat-Offshore-Tochter Bonlat bei dem US-Bankhaus bestätigte. Das Schreiben hatten sich die Parmalat-Leute selbst fabriziert, indem sie das Bank-Logo einscannten.

Überhaupt hat die Parmalat-Firmenspitze in den letzten Jahren offenbar systematisch den Übergang zum Fälscherring vorgenommen, der nur noch nebenher Milch und Jogurt produzierte. 10 Milliarden Euro in den Büchern sind vermutlich Luftbuchungen, ermöglicht durch das Jonglieren im undurchschaubaren Netz der Offshore-Töchter. Der erst vor einer Woche als Chef abgelöste Firmengründer und Mehrheitseigner Calisto Tanzi und 20 Manager haben von den Staatsanwaltschaften Mailand und Parma Ermittlungsbescheide wegen schweren Betrugs, Börsenbetrugs und Täuschung der Anleger erhalten. Der neue Chef Enrico Bondi bemüht sich verzweifelt um die Rettung des Konzerns, über den der Markt schon sein Urteil gesprochen hat. Die Aktie ist aus dem Leitindex der Mailänder Börse verschwunden, Anleihen sind praktisch wertlos.

Gestern war die Parmalatkrise Thema der Kabinettssitzung der Regierung Berlusconi. Die Schadensbilanz ist verheerend: Diverse italienische Banken sind bei Parmalat stark exponiert. Mehr als hunderttausend Kleinanleger, die sich zum Kauf der Parmalat-Anleihen hatten überreden lassen, versenkten ihre Ersparnisse. An die 5.000 Milchbauern, die Parmalat beliefern und teils seit Monaten ohne Bezahlung sind, fürchten den Ruin. 4.000 Beschäftigte in Italien und weitere 32.000 weltweit bangen um ihre Arbeitsplätze, auch wenn die Firma jetzt das Weihnachtsgeld noch auszahlte.

Offen ist noch, ob es Bondi gelingt, die von ihm favorisierte Lösung zu erreichen und Vergleich anzumelden oder ob – dies die sich gestern abzeichnende Alternative – Parmalat ins Insolvenzverfahren muss. In diesem Falle würde der Firma Gläubigerschutz gewährt, um mit Unterstützung der Regierung eine Auffanglösung anzusteuern. Womöglich schon für den gestrigen Abend wurde ein Antrag der Parmalat auf Einleitung des Insolvenzverfahrens erwartet.

Schon jetzt nutzt die Regierung Berlusconi die Krise zu einer politischen Offensive. Im Fadenkreuz ihrer Kritik stehen die Notenbank Banca d’Italia sowie die Börsenaufsicht. Beide hätten bei der Kontrolle vollkommen versagt. Deshalb, so Schatzminister Giulio Tremonti, stehe eine völlige Neuordnung der Kredit- ebenso wie der Börsenaufsicht an. MICHAEL BRAUN

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