Forscher der letzten Meinung

Da haben wir es mal wieder: Alte Männer mit alten Autos sind den deutschen Marktforschern nicht gut genug. Zu dieser Erkenntnis verhalf dem Provinzbewohner kürzlich der Anruf einer vermutlich von der schlechten Wirtschaftslage ins Call Center gezwungenen, des ungeachtet recht fröhlich tönenden jungen Dame – war sie vielleicht Schauspielschülerin? Oder angehende Kommunikationswissenschaftlerin im Grundstudium? Jedenfalls bat selbige sehr artig um Teilnahme an einer bundesweiten Studie. Üblicherweise werden derartige Anliegen, um nicht zu sagen Anschläge, mit der nächstbesten Ausrede beschieden und barsch abgelehnt. An diesem Tage mal in Gönnerlaune, entschied der telefonisch belästigte Zeitgenosse, ausnahmsweise Rede und Antwort zu stehen. Es frug die jugendliche Stimme also sprudelig drauflos, stutzte dann aber schon bei den Basisdaten und erkundigte sich lieber ein zweites Mal nach dem Alter, das im vorliegenden Falle mit einer Zahl über 40 zu tun hat. Auch ums Auto ging’s, das schon um einiges älter ist als zehn Jahre, aber anhaltend funktionstüchtig und unverändert schön anzusehen, weshalb mindestens in den nächsten zwei Jahren keine Neuanschaffung geplant ist – möge der TÜV mit uns sein. Da war es dann auch schon wieder vorbei mit dem sich gerade so nett anlassenden Gespräch. Leider, sang es wohlgemut aus dem Hörer, dürfe man an der wichtigen bundesweiten Studie dann doch nicht teilnehmen. Warum dem so war, konnte schon nicht mehr erfragt werden. Aber man weiß es ja: Solidität in Verhalten und Ausführung ist, egal ob Mensch oder Maschine, heute einfach nicht mehr gefragt. Aber das wird Folgen haben. Meinungsforscher, macht euch auf was gefasst: Beim nächsten Anruf erwartet euch eine mit unziemlichem Vokabular gespickte Tirade, die den Telefonist oder die Telefonistin jammernd und zagend nach Hause, wenn nicht gar in den Berufswechsel treiben wird. Und wir alten Knochen stehen noch zu unserem Wort.

HARALD KELLER