: Das gute Klima schon wieder dahin
Es sollte ein optimistischer Klimagipfel werden: Schließlich kann das Kioto-Protokoll dank Russland endlich in Kraft treten. Doch die unentschiedene Haltung Europas macht die gute Laune zunichte – mangels neuer Impulse können die Bremser dominieren
VON MATTHIAS URBACH
Während über 5.000 Delegierte und Lobbyisten aus aller Welt ihre Hotels in Buenos Aires bezogen haben, um über den Kampf gegen den Klimawandel zu beraten, sind 10.000 Argentinier im Norden des Landes plötzlich obdachlos. Heftige Regenfälle haben dort vergangene Woche 6.000 Quadratkilometer bebautes Land überschwemmt. Ein Beispiel dafür, was der Welt noch viel öfter droht, heizt sich die Atmosphäre erst weiter auf.
Es sollte ein optimistischer Klimagipfel in Buenos Aires werden. Das hatten zumindest alle erwartet, wo doch Russland das Kioto-Protokoll im November endlich ratifizierte, sodass es am 16. Februar in Kraft treten kann. Tatsächlich ist das Klima auf dem Gipfel so lau wie „abgestandenes Wasser“. So urteilt Stephan Singer, Klimadirektor von WWF Europe, der bereits seinen zehnten Klimagipfel bestreitet.
Vor allem die Europäische Union ergreift bisher keine neuen Initiativen. Mangels Bewegung des Vorreiters geraten die destruktiven Kräfte deshalb wieder ins Rampenlicht, wie die International Chamber of Commerce oder Ölförderer Saudi-Arabien.
Die Lähmung der EU resultiert aus ihrer Zerstrittenheit: Während Länder wie Dänemark und Schweden nun ganz normal auf Grundlage des Kioto-Protokolls auch für die Zeit ab 2012 weiterverhandeln wollen – dann läuft das Kioto-Protokoll aus –, plädieren andere Länder, wie Holland, Italien und Finnland, für einen neuen Kurs: In den USA sei „Kioto“ ein „vergiftetes Wort“. Um den Amerikanern entgegenzukommen, wollen diese Länder für die Zeit nach 2012 auf Grundlage der Klimarahmenkonvention weiterverhandeln. Der Vorteil: Auch die USA haben die Klimarahmenkonvention ratifiziert, die Grundlage für das Kioto-Protokoll war. Der Nachteil: Die Rahmenkonvention ist völlig vage und beschreibt den Verhandlungsstand von vor 1995. Die Amerikaner haben allerdings bereits klargestellt, dass sie sich weder an das eine noch an das andere gebunden fühlen. Stephan Singer ist über diese Position verärgert: „Nun tritt Kioto endlich in Kraft, und die haben nichts Besseres zu tun, als das Erreichte den Amerikanern zum Fraß vorzuwerfen.“
Deutschland und Großbritannien halten sich in diesem Streit bislang zurück. Allerdings hat Umweltminister Jürgen Trittin klargestellt, dass er die USA an den Verhandlungstisch zurückbekommen will – wie, ist jedoch unklar. Derweil wurde am Wochenende bekannt, dass der britische Premier Tony Blair bereits mit US-Präsident George Bush erste vertrauliche Gespräche geführt hat, wie die USA in den Klimaprozess wieder zu integrieren sind. Dabei geht es laut Blairs Sprecher auch darum, neue klimafreundliche Techniken zu fördern. Blair übernimmt kommendes Jahr die Präsidentschaft der Gruppe der sieben größten Industrienationen plus Russland (G8), wo er dem Klimaschutz oberste Priorität einräumen will.
Neben der Zukunft des Klimaprozesses geht es in Kioto auch um Finanzhilfen für die besonders armen Länder, um sich kommenden Klimaveränderungen anzupassen, etwa durch Deiche gegen Hochwasser. Saudi-Arabien und andere Opec-Staaten jedoch blockieren die Verhandlungen: Sie verlangen Kompensationen für künftige Ausfälle an Ölexporten, wenn der Klimaschutz tatsächlich ernster genommen wird. Aus Sicht der Umweltschützer ein verlogenes Anliegen: „Aus purem Eigennutz nimmt Saudi-Arabien die ärmsten Länder in Geiselhaft“, klagt Jennifer Morgan von WWF International. Am Mittwoch wird der Klimagipfel mit dem Eintreffen der Umweltminister in seine entscheidende Phase treten.