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Archiv-Artikel

Die relative Ruhe ist vorbei

Ein palästinensischer Anschlag fordert fünf Tote und zwanzig Verletzte. Bei einem israelischen Angriff in Gaza sterben drei Menschen, fünfzehn werden verwundet

JERUSALEM taz ■ Bei einem Selbstmordanschlag in Israel und einem israelischen Luftangriff auf militante Palästinenser sind am Donnerstagabend zehn Menschen getötet worden. Auf beiden Seiten gab es dutzende Verletzte. Zu dem Anschlag bei Tel Aviv bekannte sich die „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP).

Die Attacken drohen eine neue Gewaltrunde zu eröffnen. Die Armee riegelte die Palästinensergebiete völlig ab und planierte das Haus des Selbstmordattentäters in einem Dorf bei Nablus. Er hatte drei Soldaten und eine Zivilistin mit in den Tod gerissen, als er die Bombe an seinem Körper an einer Bushaltestelle bei Tel Aviv zündete. 20 Menschen wurden verletzt.

Dies war der erste Selbstmordanschlag seit fast drei Monaten, als eine Palästinenserin sich und 21 weitere Menschen in Haifa in die Luft sprengte. Am Donnerstag erklärte die PFLP, sie habe mit dem jüngsten Anschlag die Tötung von Fadi Hanani rächen wollen, einem führenden Mitglied der Organisation, der vergangene Woche bei einem Feuergefecht in Nablus erschossen worden war. Der 18-jährige Attentäter Said Hanani war ein Cousin des getöteten Aktivisten.

Knapp eine Stunde vor dem Selbstmordanschlag hatten israelische Kampfhubschrauber drei Mitglieder des Islamischen Dschihad in Gaza-Stadt bei einem Raketenangriff getötet. Dabei kamen auch zwei Passanten ums Leben, 15 weitere wurden verletzt. Das Ziel der Operation, Dschihad-Aktivist Makled Hamid, sei eine „tickende Bombe“ gewesen, der einen „Mega-Anschlag“ in Israel geplant habe, erklärten Armee- und Geheimdienstsprecher. Wie es hieß, stehe die Liquidierung stehe in keinem Zusammenhang mit dem Selbstmordanschlag.

Mehr als zwei Monate lang hatte Israel von gezielten Tötungen abgesehen, um das Resultat von Waffenstillstandsberatungen diverser palästinensischer Gruppen in Kairo abzuwarten. Dabei wurde jedoch keine Einigung erreicht. Im Verlauf der letzten Woche hatte Israel die relative Ruhe bereits durch groß angelegte Militäroffensiven in Nablus und im südlichen Gaza-Streifen gebrochen. Dabei waren zahlreiche Palästinenser getötet, verwundet und verhaftet worden. Die Öffentlichkeit hatte gehofft, dass es eine inoffizielle Verständigung zwischen Israel und militanten Palästinensern gäbe, wonach Selbstmordanschläge in Israel eingestellt würden, wenn Israel sich gezielter Mordversuche enthalte. Dies war auch durch Ministerpräsident Ariel Scharons Erklärung genährt worden, Israel werde „Ruhe mit Ruhe beantworten“. Der Geheimdienst hatte dem wiederholt entgegengehalten, dutzende geplante Anschläge seien allein durch Antiterrorbemühungen vereitelt worden.

Die Islamistenorganisation Hamas hat sich in letzter Zeit tatsächlich zurückgehalten. Ihre Rolle hat die marxistische PFLP übernommen, die sich dem Friedensprozess vehement widersetzt. Ihr militärischer Zweig ist nach Abu Ali Mustafa benannt, dem Generalsekretär der Bewegung, der im August 2001 getötet wurde. Als „Rache“ ermordete die PFLP daraufhin den israelischen Tourismusministers Rechavam Seevi. ANNE PONGER