: Visionen für die Kölner Gay-Community
In einer kommunalpolitischen Erklärung fordert der Kölner Lesben- und Schwulenverband die vollständige Gleichberechtigung für Lesben und Schwule in allen Lebensbereichen der Stadt. Ganz oben auf der Liste: Die Themen Familie und Adoption
VON THOMAS SPOLERT
Rechtzeitig zum Beginn des Kommunalwahlkampfes meldet sich die Kölner Gay-Community nach langer politischer Untätigkeit wieder zu Wort. Die Mitglieder des Kölner Lesben- und Schwulentags (KLuST) e.V., Veranstalter des CSD, verabschiedeten eine „Kommunalpolitische Erklärung“, die der KLuST selbst als „ambitioniert, visionär, aber nicht illusionär“ einschätzt. In dem 10-seitigen Papier, das der taz vorliegt, fordert der einzige Kölner Dachverband für Lesben und Schwule die „vollständige Akzeptanz und Gleichberechtigung“ von Lesben und Schwulen in allen Lebensbereichen.
Ein Jahr hat der KLuST an dem Polit-Papier gearbeitet – dem ersten seit zehn Jahren. Die neue Erklärung soll nach Auskunft von Vorstandsmitglied Björn Dietzel in den Leitbildprozess der Stadt Köln eingebracht werden.
Neue Agenda
Vieles hat sich seit der letzten Erklärung geändert. Themen wie Familie oder Adoption sind neu hinzugekommen und stehen ganz oben auf der Agenda. Hier fordert der KLuST, gleichgeschlechtliche Paare, die Eltern sind, als Familie anzuerkennen. Die Stadtverwaltung wird aufgefordert, die Auswahl von Adoptiv- und Pflegeeltern nur nach dem Kriterium „der Befähigung zur Kinderbetreuung“ zu treffen.
Auch das Thema Gewalt ist auf der Prioritätenliste deutlich nach vorne gerückt. 1993 fand sich dazu nur ein kurzer Absatz im Papier. Jetzt ist dem Thema über eine Seite gewidmet. Insbesondere lesbisch-schwule Migranten seien häufig einer doppelten Diskriminierung und direkter Gewalt ausgesetzt. Daher fordert der KLuST die Stadt auf, gezielt auf dieses Problem einzugehen: Die Kölner Ausländerbehörde solle ihren Ermessensspielraum nutzen, wenn Migranten aufgrund ihrer sexuellen Identität Verfolgung in ihren Heimatländern droht. Die Polizei müsse zum Thema antihomosexuelle Gewalt fortgebildet werden. Außerdem sollen Anlaufstellen geschaffen oder erhalten werden, bei denen Gewaltopfer „anonym, unbürokratisch und schnell“ Hilfe erhalten.
Nicht zuletzt dürfe es „keinen steuerfinanzierten Raum für die Diskriminierung von Minderheiten geben“, notiert der KLuST unter dem Stichwort Religion. Das klingt wie eine Spitze gegen die katholische Kirche und den Kölner Erbischof Meisner, doch der wird mit keinem Wort erwähnt. Stattdessen heißt es: „Unter dieser Voraussetzung unterstützt der KLuST den Bau einer repräsentativen Moschee als religiöses Zentrum für Moslems ebenso wie den Bau eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur auf dem Rathausvorplatz.“
Homo-Städtetag
Beim Thema „Leben im Alter“ fordert der KLuST die Stadt auf, angesichts eines geschätzten 10-prozentigen Anteils von Homosexuellen in der Kölner Bevölkerung, in den Familienberatungsstellen entsprechende Angebote zu machen. Die Forderungen für alte Lesben und Schwule sind im neuen Papier viel ausführlicher und konkreter geworden als noch vor zehn Jahren. Die Fortschritte in der AIDS-Medizin lassen die Schwulen und Lesben offenbar mehr ans Altern denken.
Trotzdem tut Gesundheitsprävention bei HIV, AIDS und sexuell übertragbaren Krankheiten nach Ansicht des KLuST weiter Not. So soll das Gesundheitsamt gemeinsam mit freien Trägern eine Kampagne zur Impfung gegen Hepatitis B und C starten, um die Kölner besser davor zu schützen. Für psychisch kranke Lesben und Schwule – dieses Thema taucht erstmals auf – sollen Kontakt- und Beratungsstellen gefördert werden. Von den städtischen Kliniken erwartet der KLuST eine Gleichbehandlung bei Besuchs- und Auskunftsrechten von nichtehelichen Partnern und Verwandten.
Der KLuST will die Interessen seiner Mitglieder „auf kommunalpolitischer Ebene überparteilich“ vertreten. Da aber die „entscheidenden Diskriminierungen auf der Ebene von Bundes- und Landesrecht“ stattfänden, will der CSD-Organisator sich für eine Kooperation schwul-lesbischer kommunalpolitischer Verbände einsetzen. „Um unseren Interessen auch überregional Gehör zu verschaffen, beabsichtigen wir, einen lesbisch-schwulen Städtetag zu initiieren.“