: Ein Hoch auf die Geschäfte mit den Aktien
Die schlechten Zeiten an den Börsen sind offenbar vorbei. Für 2004 sind fast alle Analysten optimistisch
HAMBURG taz ■ Neulinge ließen sich in diesem Jahr nicht blicken. Nicht ein einziges deutsches Unternehmen wagte 2003 den Sprung an die Börse. Trotzdem sind Aktien wieder ein gutes Geschäft, jedenfalls für Anleger, die sich erst am Jahrestiefpunkt im März mit Wertpapieren eingedeckt haben. Damals stand der DAX nur noch bei 2.189 Punkten, heute steht er bei 3.903. So legte der Deutsche Aktienindex innerhalb weniger Monate um rund 75 Prozent zu. Rekordverdächtig.
Anleger besitzen jedoch ein kurzes Gedächtnis. Noch vor einem Jahr hatten die Bilanzskandale von Enron und Worldcom die Gemüter weltweit erhitzt, inzwischen stehen auch europäische Konzerne als Bilanz-Schummler am Pranger und immer mehr Fondsgesellschaften rutschen in den Strudel unlauterer Praktiken. Zu 2003 gehört auch das Ende des „Neuen Marktes“, er sah ebenso alt aus wie der wirtschaftskulturelle Jugendwahn um die „New Economy“.
Trotz all dieser geplatzten Blasen können Sparbuchsparer angesichts der jüngsten Börsenrallye nur vor Neid erblassen. Gerechtigkeitsanhänger und Neidhammel mögen sich damit trösten, dass der DAX von seinem im März 2000 erreichten Alle-Zeiten-Wochenhoch bei 8.065 Punkten immerhin noch milliardenweit entfernt ist.
Die Gründe für den heutigen Gipfelsturm sind wie üblich vielfältig. Ein Saddam-Effekt lässt viele Analysten wieder an politische und wirtschaftliche Stabilität in den Metropolen glauben, so als ob der Tyrann wirklich Massenvernichtungswaffen besessen hätte. Angetrieben werden die Aktienkurse vor allem von dem verhaltenen Konjunktur-Optimismus in Euroland, Japan und den USA. Allerdings kletterte der amerikanische Dow Jones nur vergleichsweise mühsam nach oben. Hierbei spielte der schwache Dollar eine Rolle. Dadurch verhärtet sich das ohnehin chronische Leistungsbilanzdefizit weiter – faktisch leben die Bürger zwischen New York und San Francisco auf Pump der restlichen Welt. Obendrein bedroht den US-Aufschwung eine einsetzende Inflation. Solche Preiserhöhungen nimmt Notenbankpräsident Greenspan freilich billigend in Kauf, indem er den Leitzins bei 1 Prozent (Euro: 2 Prozent) bewusst niedrig hält, um die US-Wirtschaft anzukurbeln. Was wiederum Aktionäre zu frohen Erwartungen für 2004 verleitet.
Zurzeit profitieren allerdings noch der DAX und einige andere Aktienindizes in Europa vom starken Euro, der aller Länder Herren nach Frankfurt oder Paris lockt. Den außerordentlich rasanten Anstieg des DAX führt die Bundesbank auf „die zunehmende Rolle institutioneller Investoren, wie Fonds und Versicherungen, zurück sowie auf die steigenden Schwankungen von langfristigen Zinsen.
Auch andernorts herrscht eitel Sonnenschein, beispielsweise in China. Die größte Lebensversicherung des Landes, China Life Insurance, spielte bei ihrer furiosen Börsenpremiere in Hongkong und New York über 3 Milliarden Dollar ein. Der global größte Börsengang in diesem Jahr und ein Triumph für die kapitalistische Enklave an der Ostküste Chinas, hätte nicht Prognos zeitgleich eine China-Studie veröffentlicht: Die Schweizer Wirtschaftsforscher erwarten trotz Wirtschaftswachstums und jubelnden Börsianer eine Verdreifachung der Arbeitslosigkeit im Land des Lächelns.
In Europa herrscht für 2004 Optimismus. Eine „deutliche Mehrheit“ der Experten schaut zuversichtlich ins nächste Jahr, heißt es beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das regelmäßig 288 Finanzanalysten befragt. Für das kommende Jahr trauen die Experten auch dem DAX einen Anstieg bis auf 4.300 Punkte zu. Eher einen Abwärtstrend befürchten dagegen so genannte technische Analysten. Sie prognostizieren nicht das reale Wirtschaftsgeschehen, sondern leiten ihre meistens ebenso danebenliegenden Zukunftserwartungen aus arithmetischen und geometrischen Darstellungen ab. Danach ist der seit 2000 andauernde Abwärtstrend noch ungebrochen, mindestens bis Januar. HERMANNUS PFEIFFER