: Traum vom gemeinschaftlichen Leben
WOHNPROJEKTE Wer konventionelle Formen des Wohnens verlassen will, entscheidet sich oft für Wohnprojekte. Manche Länder fördern solch ein Vorhaben. Ökologische und soziale Konzepte stehen im Vordergrund
VON MICHAEL DREISIGACKER
Wenn sich Menschen für das Leben in einem alternativen Wohnprojekt entscheiden, steht meist der Wunsch nach Gemeinschaft im Vordergrund. In der Community werden gemeinsam Entscheidungen getroffen und Feste gefeiert, Nachbarschaftshilfe wird groß geschrieben. Doch die Planung und Finanzierung gestaltet sich oft schwierig.
„Viele Projektler haben eine regelrechte bürokratische Odysee hinter sich“, erzählt Volker Berz, der gerade einen Wohnprojekt-Atlas für Niedersachsen erstellt. Planungsbüros haben sich deswegen auf alternative Wohnformen spezialisiert und bieten Unterstützung bei Behördengängen oder der Erstellung von Finanzplänen an.
So wie die Stattbau in Hamburg. Sie begleitet Wohnprojekte in der Hansestadt. Dort gibt es spezielle Richtlinien, die das baugenossenschaftliche Wohnen fördern. Für den Zuschuss ist seit einiger Zeit eine höhere Einkommensobergrenze festgelegt. Das Wohnprojekt muss zudem mit sozialen Einrichtungen kooperieren.
Die Stattbau unterstützt auch das Wohnprojekt Inter-Pares, für das vergangenen Donnerstag in Hamburg-Altona der erste Spatenstich gesetzt wurde. Durch den Kauf des Grundstücks durch die Projekt-GmbH wurde auch die Existenz des dahinter liegenden Wagenplatzes Hospi gesichert, dessen Grund sonst womöglich an einen Investor verkauft worden wäre. Die künftigen Bewohner von Inter-Pares wollen ihre Bebauung so planen, dass auch weiterhin Zugang zum Wagenplatz besteht.
Die soziale Wohnraumförderung des Landes Schleswig-Holstein nehmen die Bewohner des Projekts Königsmoor in Kiel in Anspruch. Die Mitgliedschaft in der Baugenossenschaft erleichtert den Erwerb dieser Förderung. 20 Prozent der zu erwartenden Baukosten müssen dabei per Einlage an die gegründete Genossenschaft selbst geleistet werden. Sind die Häuser gebaut, ist die Genossenschaft Eigentümer und vergibt Nutzungsverträge auf Lebenszeit.
In der Gemeinschaftssiedlung Neumühlen bei Verden werden die Gebäude über Erbpachtverträge an die Bewohner vergeben. „Die Häuser werden hauptsächlich in Eigenregie gebaut und finanziert“, erklärt Ralf Fuhrmann, Architekt und Bewohner. Eine Förderung durch das Land Niedersachsen gibt es nicht, dafür bekommt die Siedlung einen Zuschuss vom Landkreis für das ökologische Blockheizkraftwerk, das die Siedlung versorgt.
20 Menschen leben in dem Neubaugebiet. Die Siedlung ist auf der Suche nach neuen Mitgliedern, fünf weitere wollen sie aufnehmen. Bedingung für die Baugenehmigung ist eine ökologische Bauweise, PVC oder Styropor werden nicht verwendet. So legt es die Satzung fest. Träger der gemeinschaftlichen Energieversorgung und der Verwaltung des Grundstücks ist die Genossenschaft AllerWohnen, die in der Region mehrere Projekte betreibt.
Die Konsensfindung spielt in der Neumühler Gemeinschaft aus Physikern, Rentnern und Arbeitslosen eine große Rolle. Bei den monatlich stattfindenden Plena wird deshalb so lange diskutiert, bis jeder die Entscheidung mittragen kann.
Basisdemokratie gehört zum Urgedanken der Wohnprojekte. Allerdings sei der Wille zur politischen und gesellschaftlichen Veränderung, der den Projektlern einst innewohnte, heute nicht mehr so stark erkennbar, sagt Ingeborg Dahlmann vom Forum Gemeinschaftliches Wohnen. „Früher wollten die Projektler eine andere Sozialpolitik“, so Dahlmann.
Heute seien viele Projekte aus der Not geboren. Gerade Menschen über 50 entschieden sich bewusst für eine kostengünstigere Form des Lebens im Alter, weil sie um die Finanzierung ihres Ruhestands fürchten. Seit das Land Niedersachsen spezielle Wohnprojekte im Alter unterstützt, hat deren Angebot auch zugenommen.