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Archiv-Artikel

Transozean Express

Enigmatische Songs und Sounds zum Hineinlegen: Sowohl Dominique als auch Minit kommen aus Australien. Nach Berlin hat es die beiden Bands aus ganz unterschiedlichen Gründen verschlagen

VON ANDREAS HARTMANN

Berlin hatte für Musiker aus aller Welt schon immer eine gewisse Anziehungskraft. Doch während sich zur Mauerzeit David Bowie, Nick Cave oder Iggy Pop eine Zeit lang einfach von der Stadt inspirieren ließen, eher Gäste als Teil einer Szene waren, läuft es heute eher umgekehrt: Immer mehr nach Berlin ziehende Musiker tragen aktiv dazu bei, dass sich in dieser Stadt überhaupt etwas bewegt. Ohne den Chilenen Riccardo Villalobos würde die aktuelle Berliner Technoszene um einiges älter aussehen als so schon, und ohne die Kanadierin Peaches wäre man im White Trash vielleicht nie auf die Idee gekommen, Cowboyhutträger mit Alkoholproblemen zur Coolness- Avantgarde zu erklären.

Doch es gibt immer noch auch Musiker und Bands, die gar keinen Anschluss an irgendeine Szene suchen, die hier nichts großartig voranbringen, die hier einfach ihr Ding machen wollen. Dominique ist so eine Band. Ihre Mitglieder kommen von überall her, aus Polen, Frankreich, Australien. Hier in Berlin hat man sich gefunden, hier in Berlin damit begonnen, gemeinsam Musik zu machen. Ihr Debütalbum „Speak To Me“, das vor zwei Jahren erschienen ist, fand medial so gut wie gar keine Beachtung, obwohl es eine der schönsten, poetischsten und zärtlichsten Platten der letzten Jahre war. Doch es gab eben nur diese Platte, kaum Auftritte, keine Interviews, keine Bandporträts, nur diese sehnsuchtsvoll klingende Musik, deren Texte von Trennungsschmerz handelten.

Die Platte wurde zu einer Art Liebhaberstück, zu einem Geheimtipp, den man nur an seine besten Freunde weitergab und der immer noch die Runde macht. Das Hamburger Label Dial, das sonst nur Techno herausbringt, wird die Platte demnächst auf Vinyl wiederveröffentlichen. Die eben erschienene zweite Platte von Dominique wirkt nicht mehr ganz so persönlich und intim wie „Speak To Me“. Obwohl Dominique immer eine Band waren, nahm man sie dennoch als Egoprojekt von Sänger Dominic Eichler wahr, allein schon wegen des Namens. Doch durch den Sound von „The Same You“ wird deutlich, dass man nun als geschlossenere Einheit auftreten will. Während die Stimme von Dominic Eichler, die eher erzählt als singt, zuvor sparsam von Instrumenten begleitet wurde, klingt die neue Platte voluminöser; die Band besteht aus sieben Mitgliedern, und das kann man nun auch hören.

Dominic Eichler ist vor zehn Jahren von Australien nach Berlin gezogen. „Wegen der Liebe“, sagt er. Wie es aktuell um diese Liebe steht, will er so genau nicht sagen. „Eine Liebe verschwindet nie ganz aus deinem Herzen“, sagt er. Dominic sagt gerne solche poetischen Sachen.

Jasmine Guffond und Torben Tilly, die zusammen den Act Minit bilden, leben noch nicht so lange in Berlin wie Dominic. Seit gut einem Jahr vielleicht. Auch sie kommen aus Australien. Anders als Dominic, der als Schwuler der rechtskonservativen australischen Regierung entflohen ist, die ihm zu homophob ist, wie er sagt, sind Jasmine und Torben einfach wegen der Stadt an sich hierher gekommen; weil hier die Mieten billig sind und es immer noch kreative Freiräume gibt.

Was Minit nun mit Dominique gemeinsam haben? Vieles: Die neue Platte von Minit, „Now Right Here“, ihr drittes Werk, ist zeitgleich mit der zweiten Platte von Dominique erschienen. Auch sie dockt an keinen Entwurf eines bestimmten Sounds an, wie man ihn typischerweise aus Berlin kennt. Mit Sampler und spärlicher Elektronik entwirft das Duo hypnotische Drone-Tracks, die dem Minimalismus eines Charlemagne Palestine genauso viel verdanken wie der Rockpsychedelic der frühen Sonic Youth. Wie der enigmatische Songwriter-Pop von Dominique, der an Nick Drake erinnert, wirkt auch der recht spezielle Sound von Minit wie ein Fremdkörper in dieser Stadt. Minit-Tracks können bis zu zwanzig Minuten lang gehen, doch man legt sich für diese Zeit einfach in sie hinein und vergisst einfach, wie die Zeit vergeht.

Die Platten von Minit und Dominique gehören nirgendwo dazu, wirken fremd in der Stadt und sind doch außergewöhnlich schön. Doch das, was Minit und Dominique am offensichtlichsten gemeinsam haben – die australische Herkunft –, war es dann, was ausschlaggebend für das gemeinsame Treffen war. Einfach, um diese Satelliten ähnlichen Typs auf unterschiedlichen Umlaufbahnen voneinander in Kenntnis zu setzen. Es kann ja schließlich nicht angehen, dass da zwei außergewöhnliche Platten zweier Berliner Bands aus Australien zur selben Zeit erscheinen und die Bands nicht einmal voneinander wissen. Aber wahrscheinlich liegt es am Beruf des Journalismus, dass man immer Verbindungen schaffen möchte, wo gar keine sind – zum Beispiel transozeanische. Trotzdem haben sich die Bandmitglieder nach unserem Treffen noch zu einem weiteren Bier verabredet.

Dominique: „The Same You“ (Tête-à-Tête/Cargo), Minit: „Now Right Here“ (Staugbold/Indigo). Heute ab 21 Uhr spielen Minit beim Festival Of Exiles, HAU 2, Hallesches Ufer 32