piwik no script img

USA bewegen sich keinen Millimeter

Welt-Klimakonferenz in Buenos Aires: Statt über Reduktionsziele nachzudenken, stritt man über die Frage, wer eigentlich Opfer des Klimawandels ist. Saudi-Arabien? Ein armer Inselstaat? Die US-Regierung verweigerte jeden Kompromiss

EU-Verhandlungschef: Wir haben geredet, um mal wieder über Probleme zu reden

VON NICK REIMER

„Selbst dem größten Optimisten ist hier klar geworden: Die USA bewegen sich keinen Millimeter.“ Diese Einschätzung stammt von Karl-Heinz Florenz (CDU), Leiter der EU-Delegation beim Klimagipfel in Buenos Aires. Die ganze Nacht hatten die Unterhändler versucht, wenigstens am Schlusstag ein freundliches Signal des Klimasünders Nummer eins zu bekommen – weniger als 5 Prozent der Weltbevölkerung produzieren ein Viertel aller Treibhausgase. „Die USA aber blieben beinhart“, sagt Michael Schroeren, Sprecher des Bundesumweltministeriums.

Diese Klimakonferenz war von vornherein nur ein „Zwischengipfel“. Jetzt, da das Kioto-Protokoll 2005 in Kraft tritt, wollte die Staatengemeinschaft sondieren, welche Ziele der Treibhausgasreduktion nach 2012 realistisch sind. Bindende Schritte beschließen kann erst die nächste Konferenz im Dezember 2005, wenn das Kioto-Abkommen läuft.

Um die Zeit bis dahin sinnvoll zu nutzen, hatte der argentinische Umweltminister Ginés Gonzalez García zwei Seminarreihen vorgeschlagen: „Aktionen nach 2012“ und „Anpassungsmaßnahmen an die Klimafolgen“. Erstere Reihe solle „durchaus politische Ergebnisse produzieren, auf denen die nächste Konferenz aufbauen kann“, wie Delegationsleiter Florenz erläuterte. Aus Letzterem wird nichts, und das liegt nicht nur an den USA. „Auch die Inder und die Chinesen haben diese Idee aggressiv bekämpft.“ Deren Argumentation: Wir wollen erst einmal das europäische Entwicklungsniveau erreichen, bevor wir übers Klima reden. Als „nachzuvollziehen“ bezeichnet das Florenz, der dennoch „einen hoffnungsvollen Handlungszwang“ erzeugen will. Mit den USA ist das natürlich etwas ganz anderes. Deren Strategie bezeichnet Schroeren so: „Reden können wir über alles, solange daraus keine Verpflichtungen erwachsen.“ Florenz will jetzt stärker auf jene US-Bundesstaaten zugehen, die sich am Klimaschutz beteiligen.

Die zweite Seminarreihe zeigt, dass die Politik den faktischen Klimawandel nicht mehr leugnet. So hat die EU das Ziel ausgegeben, die Erderwärmung auf maximal 2 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen – was etwa bedeutet, dass die Alpen keine Gletscher mehr hätten. Experten halten diese Begrenzung nur für möglich, wenn bis 2050 die Treibhausgase um die Hälfte reduziert werden – das Kioto-Protokoll sieht gerade mal 8 Prozent vor.

Trotz dieser drastischen Zahlen gab es in Buenos Aires Streit selbst noch bei den „Anpassungsmaßnahmen“. Das reiche Saudi-Arabien will an dem Anpassungsfonds genauso partizipieren wie der arme Inselstaat, der Dämme bauen muss. Das Argument der Saudis: Ausfälle seiner Erdölindustrie. Argentiniens Umweltminister geißelte derlei als „reine Verzögerungs- und Blockadetaktik“. Der Klimagipfel von Buenos Aires: „Wir haben geredet, um mal wieder über Probleme zu reden“, so Florenz. Der Gipfel ist gescheitert.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen