Wir brauchen Fundis und Realos

betr.: „Wir duzen uns nicht“, Interview mit Angelika Zahrnt (BUND) und Thilo Bode (Ex-Greenpeace-Chef), taz vom 14. 12. 04

Das Gespräch verdeutlicht die Diskrepanz zwischen mehrheitsabhängiger und daher konsenspflichtiger Realpolitik und der politischen Basisarbeit in der Gesellschaft. Immerhin haben wenigstens die Grünen sich so viel Basisdemokratie erhalten, dass über die Landes- und Bundesarbeitsgemeinschaften auch Minder- und Außenseitermeinungen zu Wort kommen und in die Wahlprogramme einfließen – von einer starken Hand, die „Abweichler in den eigenen Reihen“ zur Vernunft bringen soll, hört man da noch nichts.

Was vielen „Fundis“ der einen oder anderen Richtung fehlt, ist die Erkenntnis, dass die unterschiedlichen Bewegungen konsensfähig in der Realpolitik agieren müssen, damit ihre Themen nicht von den großen Parteien als auswechselbares Feigenblatt missbraucht werden. Um die Gesellschaft nachhaltig zu ändern, brauchen wir zweierlei: Fundamentalisten, die auch durch krasse Aktionen die Meinung der Gesellschaft beeinflussen und den „bösen Cop“ geben, und Realpolitiker, die den Koalitionspartnern zeigen, dass sie zwar die Meinung der Fundis teilen, aber als „gute Cops“ zu einem Kompromiss bereit sind und den anderen Parteien und Organisationen das heute schon Machbare abluchsen. Wer aus Frust über die (zugegeben: maue) Realpolitik das Handtuch wirft und aus den Bewegungen links der SPD austritt oder gar noch einen Verein gründet, hat das Prinzip nicht verstanden. VOLKER KÖNIG, Tönisvorst

Wer die Machtfrage stellt, muss auch wissen, wovon die Macht ausgeht. Ausgeblendet bleibt meist die Macht des Geldes. Damit meine ich nicht diejenigen, die das Geld in Händen halten, sondern die Regeln, nach denen das Geld selbst funktioniert. Und diese widersprechen heute den Forderungen nach Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit diametral.

Nicht fehlende Gutwilligkeit der Akteure, sondern dieser still akzeptierte oder gar übersehene Widerspruch muss hinterfragt und korrigiert werden. Ein Geld, das via Zins und Zinseszins dauerhaft exponentielles Wachstum von Produktion und Konsum voraussetzt, lässt sich nicht mit einer Wirtschaft in Einklang bringen, die (in Deutschland) linear seit 55 Jahren wächst. Ein solches Geld ist unsozial (siehe www.humonde.de). Und selbst eine „nur“ linear wachsende Wirtschaftsleistung führt in einer endlichen Welt mit begrenzten Ressourcen zur ökologischen Katastrophe. Was wir brauchen, ist ein Geld, das Wohlstand ohne Wachstum ermöglicht! Ein solches anderes Geld ist möglich, denn Geld ist kein Naturgesetz, sondern von Menschen konstruiert. Dort befindet sich ein Dreh- und Angelpunkt für soziale Gerechtigkeit wie auch ökologische Nachhaltigkeit.

THOMAS SELTMANN, Nürnberg

Selten stieg so viel Miesepetrigkeit aus zwei taz-Seiten wie hier beim Gespräch zwischen Frau Zahrnt und Herrn Bode. Diese Art der Konversation ist schlichtweg überflüssig.

Vor allen Dingen Thilo Bode muss sich die Frage gefallen lassen, ob er schon mal von unterschiedlichen Wegen mit gleichem Ziel oder einfach nur von Synergieeffekten bei der Arbeit verschiedener Gruppierungen gehört hat? Sowohl BUND als auch Greenpeace sind tief verankert in bürgerlichen Kreisen. Dem konkreten Engagement vor Ort hier und den „Schornsteinkletterern“ dort wird tiefer Respekt gezollt, ohne dass man auf seinen Ökobilanz vernichtenden Flug in die Sonne verzichten mag. Das ist tragisch aber wahr. Dogmatiker Bode müsste eigentlich – bliebe er seinen Worten treu – eine Eignungsprüfung für seine SpenderInnen einführen, denn alles andere wäre Heuchelei über den Geldbeutel. Thilo, Angelika – etwas entspannter bitte … Dann dürft ihr mich auch beide duzen.

MANFRED HARTMANN, Unna

Gratulation an Herrn Bode, dass er genau das wieder auf den Punkt gebracht hat, was Umweltverbände und Aktive in den letzten Jahren so schmerzlich vermissen ließen. Die Konfrontation und der Aufruf, sich nicht unserer eigenen Hilflosigkeit zu ergeben. Etwas ist falsch an diesem System, und wir werden es nicht ändern, wenn wir mit der Politik auf Kuschelkurs gehen. Was soll ich denn meinen Kindern sagen angesichts von Klimakatastrophe, Waldschadensberichten, Raubbau an Regenwald und heimischen Wäldern, Tankerunfällen, dem normalen ökologischen Kollaps eben, an den wir uns schon viel zu sehr gewöhnt haben? Soll ich ihnen dann sagen, aber ich hab doch die Grünen gewählt, hab mich engagiert in Verbänden, habe meine eigene Umwelt möglichst umwelt- und sozialverträglich gestaltet und trotzdem ist Stillstand und Stagnation allerorten. Ja vielerorten sind erzielte Fortschritte durch die Entfesselung der globalen Märkte in Gefahr. Wir waren viel zu lange ruhig und haben auf Konsens gesetzt. KATI THIEL, Waldkraiburg

Es ist schon beachtlich, wie konsistent Thilo Bode es über das gesamte Interview hinweg schafft, sich zu widersprechen und mit zweierlei Maß zu messen. Wenn Angelika Zahrnt kooperativ ist – beispielsweise im Nachhaltigkeitsrat sitzt – dann „lässt sie sich einbinden“. Wenn Greenpeace kooperativ ist – beispielweise einen Kühlschrank zusammen mit Foren entwickelt – dann ist das „ein frontaler Angriff gegen die gesamte Kühlschrankindustrie“. Zu Recht fordert Bode, „das ganze Wachstumsparadigma in Frage (zu) stellen“, denn diese Forderung ist zwar keineswegs neu, aber richtig. Wenn aber der BUND eine Plakatkampagne zur Chemikalienpolitik macht, dann „gibt es die Debatte seit 20 Jahren“, und das reicht anscheinend, um sie zu disqualifizieren.

Ein großer Erfolg wäre es nach Bode, „Vertreter der Umweltverbände mal zu Sabine Christiansen zu bringen“. Wenn aber der BUND mit seinen Studien in die Medien kommt, dann ist das sinnlos, denn „wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“. Und wenn Zahrnt schließlich belegen kann, dass der BUND eben nicht nur kooperiert, sondern wenn nötig auch demonstriert, dann weicht Bode in Spitzfindigkeiten aus: Nicht gegen Clement, gegen Trittin müsse sich der Protest richten. Das ist am Ende alles, was von dem großen Wort der verlorenen Radikalität übrig bleibt. Es ist schwer zu sehen, worauf Bodes billige Pauschalkritik an „den“ Umweltverbänden, die sich angeblich so sehr einbinden lassen, hinauslaufen soll. CORINNA FISCHER, Berlin

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