Eine funktionierende Armee hat Kongo nicht

Zwei Jahre nach dem Friedensschluss im Kongo bekämpfen sich im Osten des Landes weiter die einstigen Kriegsparteien. Bei der Verschmelzung früherer Bürgerkriegsarmeen macht das Land keine Fortschritte

BRÜSSEL taz ■ Bei den Kämpfen im Osten des Kongo stehen sich Soldaten gegenüber, die formell derselben Armee angehören: der FARDC (Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo), eine neue geeinte Armee aus Kongos bisherigen Bürgerkriegsarmeen. Aber in der Realität gehören die Kämpfer in der Provinz Nordkivu rivalisierenden einstigen Kriegsparteien an: der ostkongolesischen Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) und der einstigen Zentralregierung von Präsident Joseph Kabila. Sie sitzen zwar gemeinsam in Kongos Allparteienregierung, aber in Nordkivu bekämpfen sie sich.

Bisher gibt es im Kongo erst eine einzige wirkliche FARDC-Brigade – also eine, deren Soldaten aus ihren bisherigen Einheiten herausgelöst und neu ausgebildet wurden. Sie hat 3.000 Soldaten, wurde von Belgien im Frühjahr im ostkongolesischen Kisangani aufgestellt und im August in den Unruhedistrikt Ituri entsandt, wo im September ein Demobilisierungsprogramm für lokale Milizen anlief. Allerdings ist diese Brigade noch nicht vollzählig vor Ort, und Ituris Milizen trauen ihr nicht: Von 15.000 Milizionären, darunter 6.000 Kindersoldaten, haben sich erst 800 demobilisieren lassen. Im Oktober scheiterte Belgiens nächste FARDC-Initiative, als von 264 nach Belgien zur Ausbildung entsandten kongolesischen Offiziere viele abhauten.

Langfristig sollen aus den geschätzt 300.000 Bürgerkriegskämpfern des Kongo 120.000 in die FARDC überführt und der Rest demobilisiert werden. Die Weltbank bezahlt. Aber der Wunsch von Kongos Regierung, noch vor den für Juni 2005 geplanten Wahlen 32 Brigaden (100.000 Mann) aufzustellen, erscheint irreal. Höchstens vier Brigaden seien drin, heißt es aus Belgien und Südafrika.

Die Regierungen dieser beiden Länder vereinbarten Mitte November, dass Belgien die südkongolesischen Militärbasen Kananga und Kamina renoviert, über die in den 80er-Jahren US-Militärhilfe für Angolas Unita-Rebellen lief, damit dort Südafrika vier FARDC-Brigaden aufstellt. Angola bildet in Kitona drei weitere Brigaden aus.

Wenn das klappt, hat Kongo in einem halben Jahr eine Armee von acht Brigaden – 24.000 Mann. Ob die im Wahlkampf gegen zehnmal so viele demobilisierte und perspektivlose ehemalige Kämpfer bestehen, ist fraglich, zumal Bezahlung und Ausrüstung der Soldaten keineswegs garantiert sind. Bisher leben Kongos Soldaten von der Ausplünderung der Bevölkerung, und die internationalen Geber weigern sich, die Bezahlung des Militärs zu übernehmen. „Es muss dafür Geld da sein“, sagte kürzlich EU-Entwicklungskommissar Louis Michel und spielte damit auf die Korruption in Kongos Regierung an.

Die neuen Bemühungen Belgiens, Südafrikas und Angolas werden daher nur Erfolg haben, wenn diese Länder sich viel stärker als bisher einmischen. Südafrikanische Diplomaten sprechen bereits von „Babysitting“.

Und selbst das Zustandekommen der Mini-Armee ist nicht garantiert. Am 13. Dezember unterschrieben die Verteidigungsminister Kongos, Belgiens und Südafrikas ein Abkommen zur Bildung lediglich einer einzigen neuen Brigade. Belgien soll Flugzeuge zur Verfügung stellen, damit bis zum 5. Januar 1.300 Soldaten aus allen Ecken des Kongo nach Kamina gebracht werden können. Die EU soll das finanzieren, aber beim letzten EU-Außenministerrat wurde nicht das zugesagt, sondern 4,3 Millionen Euro für eine neue kongolesische Polizei. Auch Angolas FARDC-Ausbildungsaktion hat Schwierigkeiten: Ruandischstämmige Soldaten weigerten sich im November, aus Goma nach Kitona geflogen zu werden.

Sollten die acht neuen Brigaden tatsächlich einmal existieren, wartet auf sie die gigantische Aufgabe der gewaltsamen Demobilisierung ruandischer Hutu-Milizen sowie lokaler Milizen in Ituri und Katanga. Und die Frage des Umgangs mit Ruanda.

FRANÇOIS MISSER