Unsere Polit-Lügengesellschaft

betr.: „Hirngespinst Konsumflaute“, taz vom 11. 12. 04

Schön, wie Bernward Janzig unsere Polit-Lügengesellschaft darstellt, die bei Staatsschulden immer das „Wohl unserer Kinder“ im Mund führt; aber sich bei Umwelt oder Rüstung kein Deutlein drum schert. Der Vorschlag, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, wäre noch zu erweitern: Ein dritter (doppelter) Mehrwertsteuersatz für Unsinnsprodukte: Porsches, Geländewagen, Klimaanlagen, farbige Unterhosen (Karsten Voigt, als er noch Juso war), Bundeswehr, Waffen, Golf, Ski, Feinkost, usw. Die von unsern (unsern?) Politikern mutwillig geleerten Kassen wären voll für eine Pisa-harte Bildungspolitik, für Soziales und Umwelt. HARTMUT BERNECKER, Bietigheim-Bissingen

Auch diese Analyse geht wie so manch andere am Ziel vorbei. Die Schlussfolgerung der Erhöhung der Mehrwertsteuer ist absolut unsozial. Sicherlich sind Steuergeschenke an Unternehmen, Selbstständige und Besserverdiener die Ursache der leeren öffentlichen Kassen. Doch diese Steuergeschenke landen nicht im Konsum, sondern finanzieren die Arbeitsplatzverlagerung in Billiglohnländer oder fließen in die Finanzmärkte. Sie entziehen sich damit der Mehrwertsteuer. Dem stehen sinkende Nettoreallöhne und sinkende Sozialleistungen gegenüber. Das dort fehlende Einkommen (bei gleichzeitig explosionsartig steigenden Kosten für Ver- und Entsorgungsleistungen) schwächt die Binnenkonjunktur. Ganz zu schweigen von fehlenden Finanzmitteln bei Städten und Gemeinden, was direkt negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hat. Erhöhung der Mehrwertsteuer bringt zwar erhebliche Mehreinnahmen, ist aber keine angemessene Antwort auf Entsolidarisierung und Verringerung des in der Marktwirtschaft so notwendigen sozialen Ausgleichs. Selbst wenn die Mehreinnahmen zur Verbesserung der Sozialleistungen verwendet würden, blieben sie unsozial. Der Großteil der Mehrwertsteuer wird von Beziehern kleiner bis durchschnittlicher Einkommen aufgebracht. Da dieser Bevölkerungsteil weder steuerlich angemessen entlastet wird noch Sozialleistungen erhält, hätte er die Hauptlast zu tragen. HANS JÜRGEN VIETZ, Goslar