: Blicke auf den Umbruch
RUSSISCHE FILME Bei den dritten Russischen Filmtagen ist viel Unterschiedliches zu sehen. Alle Filme eint die ungewöhnliche Perspektive, die sie auf Russland im Umbruch werfen
Zum dritten Mal in Folge bieten die Russischen Filmtage bis zum Sonntag in der Volksdorfer Koralle und im Metropolis Einblicke in das junge russische Kino der Gegenwart. Insgesamt sieben durchweg preisgekrönte Spielfilme werden in der Originalfassung nebst englischen Untertiteln gezeigt. Dank der Städtepartnerschaft mit St. Petersburg und der Kooperation mit dem dortigen Filmfestival ist dabei viel Unterschiedliches zu sehen. Was alle Filme eint, ist die ungewöhnliche Perspektive, die sie auf eine Gesellschaft im Umbruch werfen.
In „Wildes Feld“ hat Regisseur Michail Kalatosischwili selbst die Kamera übernommen. Der junge Arzt Mitja lebt und arbeitet auf einem einsamen Gesundheitsposten in der russischen Steppe. Die Aufnahmen der endlos scheinenden Landschaft sind atemberaubend schön, das Leben hart, die Nöte existenziell. Mitja behandelt Alkoholvergiftungen, Schussverletzungen, das Opfer eines Blitzschlages. Es fehlt an allem für die ärztliche Versorgung, staatliche Institutionen gibt es kaum noch, wie der letzte verbliebene Milizionär resigniert feststellt. Eine eindrückliche Bebilderung des Zerfalls des Staates nach dem Ende der Sowjetunion.
In Anna Melikians „Meerjungfrau“ wächst die junge Alisa am Schwarzen Meer auf, sehnt sich nach einem Vater, hört auf zu sprechen, wird auf eine Sonderschule geschickt. Mutter und Babuschka ziehen mit ihr nach Moskau. 18-jährig schlägt sie sich mit prekären Jobs durch. Nachts lernt sie einen hübschen jungen Neureichen kennen, rettet ihn vor dem Ertrinken, küsst ihn, verliebt sich. Er erkennt sie am Morgen nicht wieder, stellt sie aber als Putzfrau an. Die soziale Kluft zwischen ihr als Putzfrau und ihm als reichen „Neuen Russen“ bleibt, die neue kapitalistische Freiheit in Russland steht zwischen ihnen. Die junge Frau, bemerkenswert ausdrucksstark gespielt von der Schauspielerin Mascha Schalayeva, lässt sich von den Enttäuschungen nicht entmutigen. Ein bewegender, absolut sehenswerter Film, spannend bis zum Ende. Das im Übrigen vollkommen kitschfrei bleibt. GASTON KIRSCHE
bis So, 17. 5., Koralle, Kattjahren 1 und Metropolis, Steindamm 54. Programm: www.rusfilm.net