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Archiv-Artikel

Das stille Sterben der Obdachlosen-Oase

Eimsbüttler Obdachlosen-Selbsthilfe schloss nach 10 Jahren ihre Pforten. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram war zum Gespräch nicht bereit. SPD-Abgeordneter Uwe Grund beklagt die „gnadenlose Sozialpolitik“ des Senats

Von Marco Carini

Der Boden: besenrein. Die Tür: durch ein automatisches Rollgitter versperrt. Ein Nachbar besitzt noch einen Schlüssel. Die Klebe-Buchstaben O-A-S-E sind von den großen Fenstern der Ladenwohnung des weißgetünchten Altbaus in der Fruchtallee, Hausnummer 9, entfernt worden. Mehrere von innen an den Scheiben angebrachte Zettel verkünden: „Zu vermieten“. Darunter: der sechsstellige Telefonanschluss einer „Grundstücksgesellschaft Jungfernstieg“.

Am Neujahrstag wäre die Eimsbüttler Begegnungsstätte für Obdachlose zehn Jahre alt geworden. Wäre. Doch statt den Jubiläums-Sekt kalt zu stellen, hat Rosi Eggers, die ehemalige Leiterin des Treffs für Menschen ohne Wohnung, Erwerbsarbeit und festes Einkommen, in der vergangenen Woche abgewickelt und leergeräumt. Die Rücklagen waren aufgebraucht, rund 85.000 Euro fehlten für den Weiterbetrieb. Die 9.200 Euro Mietzuschuss, die die Sozialbehörde für 2005 bereits bewilligt hatte, halfen da nicht weiter.

Bis 2001 hatte das Amt dem Verein fünf Stellen aus dem SAM-Programm, einem nahen Verwandten der auslaufenden ABM-Maßnahmen, finanziert. Dann war Schluss. Rosi Eggers beschäftigte trotzdem drei Ex-Arbeitslose weiter, weil sie „die, die gerade Fuß gefasst hatten, nicht wieder fallen lassen“ wollte. Die 170.000 Euro, die das Projekt Jahr für Jahr zum Überleben braucht, versuchte sie über Spenden und Flohmarktverkäufe einzutreiben. Auf Dauer ein aussichtsloses Unterfangen, das nun zum Exitus führte.

Rund 60 Obdachlose täglich versorgte die Oase mit einem Mittagstisch, die Portion zwischen 60 Cent und 1,60 Euro. Sie bekamen hier Kleidung, wurden bei Behördengängen unterstützt oder erhielten in den Wohngemeinschaften des Vereins eine Bleibe. Ein Netzwerk aus wenigen hauptamtlichen und vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern hielt dieses Angebot über Jahre am Laufen.

Am meisten ärgert die heute 50-jährige Rosi Eggers die Art, mit der die Oase zum Austrocknen gebracht wurde. Ein halbes Dutzend Mal hatte sie versucht, einen Termin mit Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) zu bekommen, sie zum Oase-Jubiläum einzuladen oder wenigstens an einer ihrer regulären Bürgersprechstunden teilnehmen zu können – doch alle Anläufe blieben vergeblich.

Für den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Uwe Grund zeigt sich in diesem Verhalten „wieder einmal das eiskalte Händchen der Sozialsenatorin“. Er bewertet die erfolgte Schließung der Oase als „weiteres trauriges Kapitel einer gnadenlosen Sozialpolitik“ und fragt mit Blick auf die hier praktizierte Selbsthilfe: „Wie kann der Senat es zulassen, dass hier das immer geforderte zivilgesellschaftliche Bürgerengagement kaputt gemacht wird?“

Antworten wird Grund wohl nicht erhalten. Schon auf eine Parlamentarische Anfrage des Sozialdemokraten zur Oase–Schließung hatte der Senat so wortkarg reagiert, als würde jede zusätzliche Silbe weitere Haushaltslöcher reißen. Die zuständige Behörde würde die Arbeit der Oase zwar „schätzen“, sehe aber für ihre Finanzierung „keinen Lösungsansatz“. Zudem sei das „Versorgungsangebot für Obdachlose“ auch ohne die Oase „hinreichend belastungsfähig“.