Schlimmes Ferienerlebnis

Helmut Kohl hat die Flutkatastrophe überlebt. Und aus diesem Anlass für „Bild“ einen Schulaufsatz geschrieben

Helmut, du hast dir mit deinem Aufsatz über dein schlimmstes Ferienerlebnis viel Mühe gegeben. Leider neigst du immer noch dazu, dich selbst ständig in den Mittelpunkt zu stellen. Das solltest du vermeiden. Wenn in dem Land, in dem du Urlaub machst, tausende Menschen sterben, dann ist es nicht sehr interessant, wenn du im ersten Satz schreibst: „Ich bin in diesem Jahr erstmals über Weihnachten mit Freunden nach Sri Lanka gefahren, um dort eine Ayurveda-Kur zu machen.“ Und Sätze wie: „Die ersten Tage waren sehr schön. Wir besuchten in Galle eine wunderbare Christnacht in einer gefüllten Kirche mit vielen Kindern“, würde man eigentlich eher im Aufsatz eines Sechsjährigen erwarten.

Bitte achte auch darauf, nicht so viele Gemeinplätze zu verwenden – das sind Ausdrücke, die schon so oft verwendet worden sind, dass sie jegliche Bedeutung verloren haben. „Kein Mensch konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass etwas Schreckliches passieren könnte“, ist so ein Satz. Es ist offensichtlich, dass keiner die Katastrophe vorausahnen konnte. So etwas musst du nicht schreiben, sonst gewinnt der Leser den Eindruck, dass du schwafelst – und diesen Eindruck solltest du bei so einem ernsten Thema vermeiden.

Der Mittelteil ist dir befriedigend gelungen. Plastisch schilderst du, wie du auf dem Balkon standest und das Meer beobachtetest („Es klang ganz anders“). Es ist auch gut, dass du Mitgefühl mit den Opfern zeigst und auch den Angestellten deines Hotels helfen willst, indem du weiter dort wohnen bleiben willst. Aber dann, am Ende, überschätzt du dich selbst einmal wieder maßlos: „Wir bleiben hier, um ein Signal zu geben.“ Helmut, es geht hier nicht darum, die Klassensprecherwahl zu gewinnen. Obwohl du dich sehr bemüht hast, hat dein Aufsatz deshalb leider nur die Note 4 (ausreichend) verdient. KUZ