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Archiv-Artikel

Eingeschränkte Geberlaune

Die wirtschaftlichen Folgen der Seebeben sind begrenzt. Vorerst will der Westen betroffenen Ländern die Kredite stunden

VON NICOLA LIEBERT

Die internationale Hilfsmaschinerie für die von der Flutkatastrophe betroffenen Länder setzt sich in Bewegung. Experten der UNO, der Weltbank und der nationalen Entwicklungsbehörden haben sich in die Region aufgemacht, um zu eruieren, was an Hilfe wo nötig sein wird. Das Bundesentwicklungsministerium geht davon aus, dass es dann zwecks Koordinierung der Hilfen eine internationale Geberkonferenz geben wird.

Einen Termin dafür gebe es bisher jedoch noch nicht. Bei der internationalen Abstimmung müssten die Vereinten Nationen „eine entscheidende Rolle“ spielen, erklärt Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Bundeskanzler Schröder forderte am Mittwoch ein Schuldenmoratorium für Indonesien und Somalia. Der Pariser Club, in dem die staatlichen Gläubiger organisiert sind, will am 20. Januar über eine Aussetzung der Schuldenzahlungen der betroffenen Länder beraten. Indonesien hat Auslandsschulden von über 80 Milliarden Dollar, rund die Hälfte davon gegenüber den Pariser-Club-Staaten. Der Chef der US-Behörde für humanitäre Hilfe zeigt sich „offen für alle Arten von Ideen“. Der indonesische Finanzminister Yusuf Anwar begrüßt das Angebot als „sehr positiv“. Seine Regierung schätzt die Wiederaufbaukosten auf rund eine Milliarde Dollar.

Der Internationale Währungsfonds will ebenfalls Maßnahmen treffen, um den betroffenen Ländern unter die Arme zu greifen. So könnte der Fonds einstweilen auf die Rückzahlung einer am 1. Februar fälligen Kredittranche Indonesiens in Höhe von 77 Millionen Dollar verzichten, hieß es inoffiziell. Die Vereinten Nationen schätzen den Bedarf an Soforthilfe auf zunächst 130 Millionen Dollar, davon fast die Hälfte für Sri Lanka.

US-Präsident George W. Bush geht wie so oft lieber ohne die UNO vor. Auf seiner Ranch in Texas verkündete er am Mittwoch die Bildung einer Kerngruppe für die Koordinierung des Wiederaufbaus gemeinsam mit Australien, Japan und Indien, den großen Wirtschaftsnationen in der Region. Die US-Regierung hat bislang 35 Millionen Dollar (26 Millionen Euro) Hilfe zugesagt. Die EU versprach ihrerseits, 30 Millionen Euro lockerzumachen. Viele der obdachlos gewordenen, von Hunger und Krankheiten bedrohten Opfer der Katastrophe haben allerdings von Hilfslieferungen noch nichts gesehen.

Doch auch wenn die Konsequenzen für die betroffenen Küstenregionen und deren Bewohner dramatisch sind – die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind es nicht. Die Zerstörungen trafen neben einigen Tourismuszentren vor allem die Ärmsten, nicht aber die Industrie der jeweiligen Länder, ja nicht einmal die großen Hafenanlagen. Die Börsen reagierten dementsprechend desinteressiert. Der deutsche Aktienindex DAX startete gestern mit leichten Gewinnen in die letzte Sitzung des Jahres. Lediglich die Tourismus- und Versicherungsbranche geriet zeitweise unter Druck.

Vom Tourismus stark abhängige Länder wie Thailand oder die Malediven müssen im kommenden Jahr allerdings mit geringeren Wachstumsraten rechnen. Der Verband thailändischer Reiseveranstalter geht von 1,2 Millionen annullierten Reisen und damit Einnahmeausfällen von rund 750 Millionen Dollar aus. In Sri Lanka, wo der Tourismus die viertgrößte Einnahmequelle ist, rechnen Experten mit einer Verlangsamung des Wachstums von fünf auf vier Prozent. Die Ratingagentur Standard & Poor’s sieht jedoch keinen Anlass für eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Länder. „Die menschlichen Verluste sind tragisch und immens, aber die Dellen im Bruttoinlandsprodukt der Länder werden geglättet durch die erhöhten Investitionen für den Wiederaufbau und die Rückkehr des Tourismus in die meisten Gebiete“, erklärt ein S&P-Analyst.

Ebenfalls Entwarnung geben die großen Rückversicherungskonzerne. Die Münchner Rück schätzt zwar die Schäden insgesamt auf vielleicht mehr als zehn Milliarden Euro. Da die meisten aber unversichert seien, geht der weltgrößte Rückversicherer nur von einer finanziellen Belastung unter 100 Millionen Euro aus, Swiss Re rechnet mit weniger als 65 Millionen Euro. Die großen Wirbelstürme dieses Jahres in den USA, der Karibik und in Japan schlugen im Vergleich dazu mit 35 Milliarden Dollar versicherten Schäden zu Buche.