: Bullenzüchter sehen rot
Die Existenz vieler Bauern ist bedroht, glaubt der Landwirtschaftsverband. Grund sei die Reform der europäischen Agrarpolitik. NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn weist die Vorwürfe zurück
VON ULLA JASPER
Nach Einschätzung der nordrhein-westfälischen Bauern beginnt das neue Jahr so schlecht, wie das vergangene aufgehört hat. Wie der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), Franz-Josef Möllers, erklärte, habe das durchschnittliche Einkommen pro landwirtschaftlicher Arbeitskraft im Jahr 2004 nur 1.400 Euro brutto pro Monat betragen. Das seien fast 40 Prozent weniger als das Vergleichseinkommen in der freien Wirtschaft.
Auch für 2005 malt der Bauernpräsident schwarz. Vermutlich würden rund fünf Prozent der 50.000 Landwirte in NRW in diesem Jahr ihren Betrieb aufgeben, befürchtet Möllers. Der Trend von vielen kleinen Bauernhöfen hin zu wenigen großen Betrieben werde sich dadurch weiter fortsetzen.
Grund ist nach Ansicht des WLV in erster Linie die Umstellung des Subventionssystems im Zuge der europäischen Agrarreform, die zum 1. Januar in Kraft trat. Die Reform sieht vor, die Zahlungen an Landwirte von der tatsächlichen Produktion zu entkoppeln. Statt dessen sollen die Bauern in Zukunft für jeden Hektar bewirtschafteter Fläche eine Prämie erhalten. Damit soll sich auch ihre gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Rolle wandeln – weg vom reinen Nahrungsmittelproduzenten hin zum Landschaftspfleger.
Doch durch das neue Prämienmodell würden insbesondere Bullenmäster und Milchviehhalter weniger Zuschüsse aus Brüssel erhalten, kritisiert Matthias Quas, Referent des WLV. Zudem werde auch der Marktpreis für Rindfleisch immer geringer. „Viele Landwirte werden sich in Zukunft überlegen, ob sie sich das alles noch antun wollen“, so Quas. Dass die Reform ökologisch notwendig ist und langfristig positive Effekte für die nordrhein-westfälischen Bauern mit sich bringe, bezweifelt der Landwirtschaftsexperte: „Gewinner wird es keine geben.“
Nordrhein-Westfalens Agrarministerin Bärbel Höhn (Grüne) widerspricht dieser Einschätzung. „Das muss ich eindeutig zurückweisen. Das Geld ist ja nicht weniger geworden, die EU hat ihre Mittel nur umverteilt“, so die Ministerin zur taz. Das neue Subventionssystem der EU soll gewährleisten, dass nicht Massentierhaltung und Überproduktion gefördert werden, sondern Betriebe, die ökologisch sinnvoll wirtschaften. Denn „Landwirtschaft ist mehr als Schweinehaltung“, so Höhn.
Die einheitliche Flächenprämie wird in einer mehrjährigen Übergangsphase eingeführt, um wirtschaftliche Härten für die Landwirte zu vermeiden. In NRW werden seit dem 1. Januar zunächst 283 Euro pro Hektar Ackerland jährlich gezahlt, für Grünland erhalten die Bauern rund 111 Euro pro Hektar. Erst 2013 wird die Prämie vereinheitlicht, die Landwirte erhalten dann 347 Euro pro Jahr und Hektar. Profitieren werden von dieser Umstellung in erster Linie Regionen mit einem hohen Grünlandanteil und geringerer Viehzucht. So erhalten Landwirte im Rhein-Sieg-Kreis in diesem Jahr 12,4 Millionen Euro, verglichen mit 7,4 Millionen Euro im Jahr 2003, so die Landwirtschaftsministerin. „Viehintensive Betriebe werden in Zukunft weniger Gelder bekommen, dafür werden Grünlandbetriebe, eine ökologisch besonders wertvolle Betriebsart, mehr erhalten“, so Höhn.
Vom Landwirtschaftsverband fordert Höhn, nicht ausschließlich am traditionellen Bild des Bauernhofs festzuhalten: „Der Landwirtschaftsverband hängt zu sehr am landwirtschaftlichen Betrieb als reinem Nahrungsmittelerzeuger.“