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Archiv-Artikel

Schuss ins Blaue

Senat will Jagd auf Schwäne und andere Vögel erlauben, um Einbußen bei Ernte zu verhindern. Wie groß die Schäden sind, weiß aber keiner so genau

„Für die Freigabeder Jagd gibt eskeine fachliche Begründung“

Von Gernot Knödler

Der Naturschutzbund Nabu hat den Senat aufgefordert, die Jagd auf Höckerschwäne, Ringeltauben, Elstern und Rabenkrähen nicht zuzulassen. „Für die Freigabe der Jagd auf diese Vogelarten gibt es absolut keine fachliche Begründung“, sagt der Ornithologe Sven Baumung. Auch mit dem Argument, diese Vögel schädigten die Ernte, ließen sich Abschüsse nicht rechtfertigen. Statistiken über Ernteausfälle durch diese Vogelarten liegen nicht vor, wie der Senat gegenüber der GAL einräumen musste.

Der Senat plante, am 11. Januar eine Änderung der Landesjagdverordnung zu beschließen. Die Drucksache sei fertig, sagt Christian Saadhoff von der Wirtschaftsbehörde. Allerdings weile Senator Gunnar Uldall noch bis zum 10. Januar im Urlaub. Wann sich der Senat mit der Vorlage befassen werde, sei offen.

Die Entstehung der Vorlage hält Baumung für einen Skandal. „Der Senat trifft seine Entscheidungen offensichtlich nicht auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, sondern geht dabei willkürlich vor“, schimpft er. Wegen des im Sommer 2004 verabschiedeten Bundesgesetzes zum Abbau von Statistiken sind Schäden, die wild lebende Tiere in der Landwirtschaft verursachen nicht mehr meldepflichtig. Die Behörde sah sich aber auch für die Jahre vor 2004 nicht in der Lage, Angaben zu den Sünden gefräßiger Ringeltauben oder über die Äcker trampelnder Schwäne zu machen. Fehlanzeige auch bei der Landwirtschaftskammer, bis auf vage Hinweise auf die Klagen der Bauern.

Einer von ihnen, Herbert Wörmbke, hatte vor zwei Jahren für Schlagzeilen gesorgt, weil sich 120 bis 200 Schwäne und Gänse auf seinem Rapsfeld in den Vier- und Marschlanden gütlich taten (taz berichtete). Er holte die Jäger, ein Nachbar daraufhin die Polizei. „Bis zu 30 Prozent Einbußen“ habe er verkraften müssen, sagt Wörmbke. „Das kann doch kein Dauerzustand sein.“ Er räumt ein, Rehe gesehen zu haben. Diese fielen zahlenmäßig jedoch nicht ins Gewicht. Mit Baumungs Beobachtungen deckt sich das nicht. Löcher in der Vegetation habe er nur in Senken voller Wasser erkennen können. Der Naturschützer hält das Abschießen der Vögel angesichts der Schäden, die sie verursachen, für unverhältnismäßig. Es sei nicht geeignet, die Vögel dauerhaft zu vertreiben. Die Landwirte müssten zur Not entschädigt werden.

Behördensprecher Saadhoff verweist darauf, dass „nur bei Gefahr im Verzug, wenn sich die Vögel irgendwo niederlassen, wo sie Schäden anrichten“, geschossen werden dürfe. Im Übrigen orientiere sich die Drucksache an der schleswig-holsteinischen Jagdverordnung des grünen Umweltministers Klaus Müller.

Höckerschwäne dürfen demnach nur im November und Dezember und nur mit der Kugel geschossen werden. „Der Jäger muss dokumentieren, dass ein erheblicher Schaden vorgelegen hat, sonst verstößt er gegen das Recht“, sagt Ministeriumssprecherin Claudia Viße. Überdies hat Kiel die Jagdzeit stark eingeschränkt. Nach Bundesrecht dürften Schwäne auch im Januar und Februar erlegt werden.