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Archiv-Artikel

Polizeireform am Wasserkopf

Trotz Wahlkampf geht die Landesregierung die lang erwartete Polizeireform in Nordrhein-Westfalen an. Kommission beriet Neuordnungs-Pläne. Jetzt wird die Reduzierung der Polizeibehörden erwartet

VON HUBERTUS GÄRTNER

Es ist ein sehr heißes Eisen, das da im Feuer liegt. Die Landesregierung hat große Angst, sich fünf Monate vor der Wahl noch gehörig daran die Finger zu verbrennen. Auch sie weiß, dass eine Polizeireform hochgradig umstritten ist. Am kommenden Dienstag lüftet sie dennoch den Schleier. Dann soll Udo Scheu, Vorsitzender der „Kommission Neuorganisation der Polizei NRW“ in Düsseldorf sein umfangreiches Gutachten vorstellen. In der bislang streng geheim gehaltenen Expertise werden die Weichen dafür gestellt, wie die Organisationsstruktur der Polizei in Nordrhein-Westfalen in Zukunft aussehen soll.

Bislang gibt es in NRW insgesamt 57 verschiedene Behörden. Die Basis bilden die 50 Kreispolizeibehörden. In den kreisfreien Städten sind dies die Polizeipräsidien, in den Kreisen die Landräte. Die Aufsicht über die Kreispolizeibehörden wird in den fünf Bezirksregierungen geführt. Hinzu kommen das Landeskriminalamt sowie das Innenministerium als oberste Aufsichtsbehörde.

SPD, Grüne und auch die FDP halten diese Struktur für dringend reformbedürftig. Bereits im Herbst 2003 hatte der Landtag deshalb beschlossen, sie auf den Prüfstand zu stellen. Es wurde eine 13-köpfige Kommission mit dem ehemaligen hessischen Landespolizeipräsidenten Udo Scheu an der Spitze eingerichtet um ein neues Konzept zu erarbeiten.

Die meisten Experten gehen nun davon aus, dass sich das Scheu-Gutachten für eine deutliche Reduktion der Behörden in NRW aussprechen wird. Dieser Überzeugung ist auch der SPD-Landtagsabgeordnete und Innenexperte Jürgen Jentsch aus Gütersloh. „Es wird eine Ausrichtung auf Polizeipräsidien in größeren Städten geben“, sagte er. Am Ende könnten dann zwischen 12 und 20 Behörden stehen. Mit der Reduktion würden „viele Wasserköpfe beseitigt“, verspricht Sozialdemokrat Jentsch. Die bisherigen Kreispolizeibehörden müssten keine Abteilungen für Verwaltung und Logistik vorhalten und könnten „deutlich mehr Beamte auf die Straße bringen“. Ähnlich äußern sich auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Horst Engel, und der ehemalige Bielefelder Polizeipräsident Horst Kruse. Es sei sinnvoll, spezialisiertes Personal in einigen wenigen Polizeipräsidien zu bündeln, ein Verlust von Bürgernähe sei damit keineswegs verbunden, sagte Kruse.

Andere Länder wie beispielsweise Hessen und Niedersachsen hätten ihre Polizeistrukturen in letzter Zeit ähnlich reformiert. Sollte die Scheu-Kommission wie erwartet eine Abschaffung der Kreispolizeibehörden in NRW vorschlagen, wird sie aber auf den erbitterten Widerstand zahlreicher Landräte treffen. Die bisherige Struktur habe sich „bewährt“, sagt beispielsweise der Höxteraner Landrat Hubertus Backhaus, in dessen Kreispolizeibehörde 250 Mitarbeiter ihren Dienst versehen. Kleinere Einheiten könnten „wesentlich erfolgreicher und effektiver arbeiten als große Behörden“. Die von der rot-grünen Landesregierung favorisierte und von ihm „befürchtete“ Reform werde die Bürgernähe der Polizei „eher reduzieren“, sagt Backhaus. In dieser Position sieht er sich „einig mit allen Landräten in Ostwestfalen-Lippe“.

Auch NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) hatte schon betont, dass eine Organisationsreform keine Polizeiwachen kosten und „vor Ort zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger“ führen müsse. Im Ziel sind sich alle einig. Beim richtigen Weg scheiden sich aber die Geister. In dieser Legislaturperiode werde ohnehin keine definitive Entscheidung mehr getroffen, hatte Behrens vor einigen Monaten vorsorglich versichert.

Wie sensibel das Thema ist, wurde vor wenigen Wochen deutlich. Einige Landräte aus der Region wollten nicht einmal das „NRW“ Nummernschild für neue Polizeiwagen akzeptieren und klebten ein „HX“ oder „LIPPE“ aufs Fahrzeugheck. „Das ist doch ein Kinderspiel“, kommentiert SPD-Mann Jürgen Jentsch. Auch ihn plagen aber ein paar Bedenken. Die Geister, die Scheu-Kommission am Dienstag in Düsseldorf auf den Plan rufen wird, sind derzeit noch kaum berechenbar.