: Bauen für den Buddha-Boom
Ein Vietnamese will in der sächsischen Kleinstadt Taucha einen buddhistischen Tempel bauen mit Pagode und Fengshui-Park. Kommunalpolitiker hofften zunächst auf Touristen und Investoren aus Asien. Jetzt sorgen sie sich um ihre „regionale Identität“
VON ULRIKE LINZER UND DANIEL SCHULZ
Die Wünschelruten schlugen im Stadtpark aus. Hier fließe die richtige Energie, sagte Vinh Dao. Dies sei ein guter Ort, um Buddhist zu sein. Der vietnamesische Restaurantbesitzer schlug der kleinen Stadt Taucha am nordöstlichen Stadtrand von Leipzig vor vier Jahren etwas Großes vor: Einen Tempel wolle er bauen und den heruntergekommenen Stadtpark zu einem gepflegten Garten machen, nach den Regeln des Fengshui. Und Taucha wollte auch etwas Großes: Pilgerströme, Touristen, ausgebuchte Hotels und Unternehmen aus Asien.
Doch die anfängliche Begeisterung wich, als die 15.000 Tauchaer erkannten, wie groß das werden sollte, was auf sie zukam. 6.000 Quadratmeter Park wollten Vinh Dao und ein später gegründeter buddhistischer Verein kaufen, 16.000 weitere Quadratmeter möchten sie in Erbpacht übernehmen. Der Buddhismus in Taucha soll drei Fußballfelder groß werden. Dao plant einen riesigen Tempel, und im Teich des Stadtparks sieht er eine zwölf Meter hohe Frauenstatue Wasser zur geistigen Reinigung ausgießen.
„Das passt nicht nach Taucha“, sagt Bernd-Rüdiger Kern, der für die Deutsche Soziale Union (DSU) im Stadtrat sitzt. „Die Leute fürchten um ihre regionale Identität.“ Um Identität geht es eigentlich beim Tempelstreit. Was macht Taucha aus? Der schlammige Tümpel im Park? „Das ist unser Teich, er vermittelt uns Heimatgefühl“, sagt Kern.
Doch nicht nur die Ultrarechten wollen den Tempel nicht. Der Streit geht über Parteigrenzen und durch Familien. Ungefähr die Hälfte der Stadt sei für den Bau, die andere dagegen, schätzt Bürgermeister Holger Schirmbeck (SPD). Auch CDU-Stadtrat Klaus-Dieter Münch, am Anfang noch für das Projekt, sagt inzwischen, von solch „gigantischen Ausmaßen“ sei nie die Rede gewesen. Er fühle sich „über den Tisch gezogen“.
Die CDU hat die Mehrheit im Stadtrat, der darüber entscheidet, ob Daos großer Tempel zu viel für das Selbstverständnis Tauchas ist. Doch die Politik wird bestimmt durch eine faktische Koalition aus PDS, Grünen und SPD. Die setzen eigentlich wie Bürgermeister Schirmbeck auf den buddhistischen Boom. Taucha könne mit dem Bau ein „Alleinstellungsmerkmal“ gewinnen und Touristen anziehen, so Schirmbeck. Sogar auf asiatische Firmen, die sich wegen des Tempels ansiedeln, hoffen die Befürworter. Doch auch Schirmbeck warnt jetzt vor „allzu großer Dominanz der Baulichkeit“.
Für die christliche Konkurrenz ist die Größe des Buddha-Tempels angeblich kein Problem. Der evangelische Pfarrer Michael Gehre begründet seine Skepsis vielmehr mit Bedenken, „eine Religion hereinzulassen, die hier keine Wurzeln hat“. Der Buddhismus sei in der Region nichts Gewachsenes. Gehre möchte klären, „wie viel Multikulti wir wollen und was gut für unsere Stadt ist“. Für seinen katholischen Kollegen Armin Bernhard ist der Buddhismus ohnehin nur „eine Form von atheistischer Religiosität“.
Auch seien die meisten der etwa 40.000 Vietnamesen in Ostdeutschland gar keine Buddhisten, sagen die Kritiker. Der Tempel sei das Wahnprojekt eines Einzelnen, nämlich des Restaurantbesitzers Dao. Schließlich wolle der 41-Jährige den Tempel auch direkt gegenüber seinem Wohnhaus am Eingang zur Altstadt Tauchas bauen. Dao gibt zu, „dass viele Asiaten hier nicht buddhistisch getauft sind“. Dennoch praktizierten sie den Glauben. Er versichert immer wieder, „den Tempel nicht gegen den Willen der Stadt“ bauen zu wollen, doch einigen Tauchaern reichte diese Zusicherung wohl nicht. In einem anonymen Brief wurde Dao als Schutzgelderpresser beschuldigt. Die Polizeiermittlungen ergaben dann aber, dass Dao selbst Opfer der Schutzgeldmafia war.
Inzwischen liegt das Tempelvorhaben auf Eis. Der geplante Bauplatz gehört zu einem Landschaftsschutzgebiet, und die Baugenehmigung hängt von einem für Januar erwarteten Gutachten ab. Auf den Standort beharrt Dao nach wie vor, aufgrund der Strömungen müsse der Tempel genau an dieser Stelle stehen. Die Fläche hat er jedoch von 1.500 Quadratmeter auf ein Drittel verkleinern lassen. Statt 4,5 Millionen Euro Baukosten fallen wahrscheinlich 2 Millionen Euro weniger an.
„Das Gebäude muss mit der Umgebung harmonieren“, sagt er – und meint damit die Landschaft.