: „Dritter Weg“ am Ende
Der Lohnstreit in der Diakonie eskaliert
Sie ist einer der größten Arbeitgeber in Deutschland – und die meisten ihrer Beschäftigten arbeiten seit 2004 zum gleichen Lohn. So lange ist es her, dass die „Arbeitsrechtliche Kommission“ der evangelischen Diakonie zum letzten Mal eine Einigung erzielen konnte. Seitdem im Februar 2008 die letzte Tarifrunde begann, steckt das Lohnfindungsgremium des Wohlfahrtsverbandes fest.
„Unsere Geduld ist ausgereizt“, sagt der Mitarbeitervertreter des Bremer Diako-Krankenhauses, Eric Bolenius. Lohnsteigerungen seien überfällig. Die letzten Zuwächse im Jahr 2004 hätten magere 2 Prozent betragen, um 10 Prozent seien die Verbraucherpreise jedoch seither gestiegen. Nun soll mit den Nullrunden Schluss sein. 8 Prozent mehr Lohn, gestreckt auf 2008 und 2009, fordern die Arbeitnehmervertreter der Diakonie. Das ist der Abschluss, den Ver.di im öffentlichen Dienst durchgesetzt hat, das ist auch der Abschluss, den Caritas und das Rote Kreuz akzeptiert haben.
„Die Kollegen machen genau das gleiche Geschäft wie wir. Es ist überhaupt nicht einsichtig, warum wir nicht auch diese Erhöhung bekommen sollen“, sagt Verhandlungsführer Christoph Fantini. Die Diakonie jedoch lehnt den Ver.di-Abschluss wegen des Sockelbetrages und der kurzen Laufzeit von zwei Jahren ab. An dem für Geringverdiener wichtigen Sockelbetrag wollen die Arbeitnehmer aber unbedingt festhalten. „Es ist ein Hammer, dass ausgerechnet die Kirche sich dieser sozialen Komponente verweigert“, sagt Fantini.
Effektiv Druck machen konnten die Beschäftigten aber bisher nicht: Wegen des grundgesetzlichen Selbstbestimmungsrechts der Kirchen gibt es keine regulären Tarifverhandlungen. Folge dieses sogenannten dritten Wegs der Lohnfindung: Die Arbeitnehmer dürfen nicht streiken. Für die Diakonie ist das ein immenser strategischer Vorteil, den sie nun „überreizt“ habe, sagt Fantini. „Der Tabubruch ist erfolgt. Der dritte Weg hat sich als Trampelpfad auf dem Rücken der Mitarbeiter erwiesen.“
Wegen der verhärteten Fronten in der Arbeitsrechtlichen Kommission haben mehrere Landesdiakonien in der Zwischenzeit eigene Lohnabschlüsse erzielt. Für die 150.000 Beschäftigten der Diakonien Bremen, Hessen, Pfalz, Mitteldeutschland und Berlin-Brandenburg ist eine Lösung des Lohnkonflikts aber nicht in Sicht. Ein Zurück zu dem konsensorientierten Modell, das der Diakonie Jahrzehnte sozialpartnerschaftlicher Ruhe beschert hat, werde es nicht mehr geben, sagt Fantini. Die Beschäftigten wollen nun, vertreten durch Ver.di, reguläre Tarifverhandlungen aufnehmen – Streikrecht inklusive. Vorletzte Woche gab es deshalb die ersten Warnstreiks.
CHRISTIAN JAKOB