: „Wir erhöhen die Diäten nicht, wir kürzen“
Der Grüne Johannes Remmel über die plötzliche Einigkeit zur Veröffentlichung von Politiker-Nebeneinkünften, die von allen Landtagsfraktionen gewünschte schnellstmögliche Verdopplung der Diäten und das Verständnis der Wähler
taz: Herr Remmel, nach wochenlangen Tauziehen scheinen sich die Grünen mit ihrer Forderung nach Veröffentlichung aller Abgeordneten-Nebengehälter durchzusetzen – auf Kosten der SPD?
Johannes Remmel: Zur Zeit sind alle Fraktionen an einer schnellen Lösung interessiert. Wir sind sehr optimistisch, dass bei den anstehenden Gesprächen unser Vorschlag weitgehend umgesetzt wird. Aber wir verhandeln nicht auf Kosten unseres Koalitionspartners, sondern im Interesse der Sache.
Wo hakt es?
Die Grünen fordern schon seit langem – zuletzt die Bundestagsfraktion ‘95 – mehr Transparenz bei den Nebengehältern. Der von uns jetzt vorgelegte Gesetzentwurf hat das Ziel, schnell alles offen zu legen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich möglichst einfach informieren können, wer von wem wie viel Geld bekommt – sonst leidet die Glaubwürdigkeit von Politik insgesamt. Die CDU verweist darüber hinaus auf einem Passus aus den niedersächsischen Abgeordnetengesetz, nachdem so genanntes ‚arbeitsloses Einkommen‘, also Einkünfte ohne Gegenleistung, verboten werden soll. Dies ist selbstverständlich und muss mit berücksichtigt werden.
CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers scheint damit weiter gehen zu wollen als SPD-Fraktionschef Edgar Moron, der sich lange gegen eine Veröffentlichungspflicht gesträubt hat. Kontrollieren sollte stattdessen eine ‚Ehrenkommission‘ des Landtags.
Auch bei den Kollegen der SPD scheint sich die Einsicht durchzusetzen, dass sich die Öffentlichkeit einfach und umfassend informieren will. Mehr Transparenz fordern nach den RWE-Filzaffären der Christdemokraten Laurenz Meyer und Hermann-Josef Arentz auch der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering wie die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Kurt Beck. Auch CSU-Chef Edmund Stoiber ist mittlerweile genauso dafür wie der Parteienkritiker Achim von Arnim.
Dennoch mussten Sie den Sozialdemokraten drohen, ihren Gesetzesentwurf notfalls mit der CDU durch‘s Parlament zu bringen?
Wir mussten gar nicht drohen, denn wir könnten unsere Initiative allein ins Parlament bringen. Im rot-grünen Koalitionsvertrag steht, dass wir in Fragen des Abgeordnetenrechts frei von Absprachen sind.
Kritiker warnen bereits vor der Schaffung einer Kaste von Berufspolitikern, ohne jeden Kontakt zum Wirtschaftsleben. Die Gefahr, dass sich die Politik weiter von den Bürgern entfernt, sehen Sie nicht?
Überhaupt nicht. Nebentätigkeiten werden ja nicht generell verboten. Der Zwang zur Offenlegung von Nebeneinkünften aber ist ein Korrektiv: Jeder einzelne Abgeordnete muss darüber nachdenken, welche Nebentätigkeiten er ohne Interessenkollisionen übernehmen kann und was mit seinem Mandat auch zeitlich vereinbar ist. Ich persönlich wüsste schon rein zeitlich nicht, wie ich auch noch nebenberuflich tätig werden sollte.
Der Eindruck der Selbstbedienungsmentalität von Politikern aber bleibt: Alle Landtagsfraktionen wollen jetzt eine Verdopplung der Diäten auf satte 9.500 Euro fordern. Verstehen Sie nicht, dass dies zu noch mehr Politikverdrossenheit führen muss?
Nein. Wir erhöhen oder verdoppeln nicht, sondern wir kürzen und legen offen, deshalb sind die Details wichtig: Die Diäten sollen im Gegensatz zur derzeitigen Regelung voll versteuert werden. Auch um ihre Altersversorgung und die Krankenkassenbeiträge sollen sich die Abgeordneten künftig selbst kümmern müssen. Auch das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz.
Zu Lasten der Steuerzahler, und das in Zeiten von Hartz, wo gerade bei den sozial Schwächsten gekürzt wird.
Im Gegenteil: Die Diätenreform würde den Finanzminister mittelfristig spürbar entlasten. Bisher liegen die Diäten bei 4.807 Euro, dazu kommt noch eine Kostenpauschale von rund 2.300 Euro. Würde man, so wie der Bund der Steuerzahler es berechnet hat, Altersvorsorge und Krankenversicherung in einem Betrag ausdrücken, so würden Abgeordnete heute zwischen 11.000 und 12.000 Euro verdienen. Der jetzige Vorschlag sieht mit 9.500 Euro eine deutliche Kürzung vor. Der Landtag könnte also zwischen zwei und 2,3 Millionen Euro einsparen – und das jährlich.
INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA