piwik no script img

Archiv-Artikel

HEIDE SIMONIS MACHT KLUGE VORSCHLÄGE ZUR STEUERPOLITIK SPD-Spitze übt absurde Kritik

Wutsch – was für eine verbale Ohrfeige von SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter für Genossin Heide Simonis: Wenn die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin eine erhöhte Erbschaftsteuer fordere, dann sei das nur Wahlkampf. Immerhin stimmt, dass am 20. Februar im Norden gewählt wird. Ansonsten aber ist es absurd, Simonis Populismus vorzuhalten. Sie plädiert seit Jahren für eine erhöhte Erbschaftsteuer – und wird seit Jahren von der SPD-Spitze abgemahnt.

Es ist zu verstehen, dass sich die SPD-Führung nicht für die Erbschaftsteuer begeistert. Jährlich bringt sie nur etwa 3,4 Milliarden Euro – und steht zudem den Ländern zu. Völlig disproportional zum Ertrag dürfte jedoch die Aufregung sein, die eine Steigerung mit sich brächte: Viele Häuslebesitzer würden nicht begreifen, dass sie wegen der Freibeträge nicht betroffen sind.

Doch dieser Abwehrreflex wird der SPD nichts nutzen; sie muss Steuerfantasie entwickeln – auch jenseits der Erbschaftsteuer. Mindestens vier Gründe sind abzusehen: Das Bundesverfassungsgericht dürfte demnächst monieren, dass vererbte Immobilien geringer belastet werden als Geldvermögen. Zudem hat der Armuts- und Reichtumsbericht gezeigt, dass Vermögen immer ungleicher verteilt ist. Dies wird, drittens, durch die Steuerreform verschärft, die hohe Einkommen überproportional entlastet. Und schließlich wäre es vernünftig, einen Teil der Sozialversicherungsbeiträge über Steuern zu finanzieren, um die Kosten für Arbeit zu senken.

Handlungsdruck scheint selbst die SPD-Spitze wahrzunehmen; Benneter kündigte an, man werde bis 2006 ein „umfassendes“ Steuerkonzept beschließen. Auch dafür hat Simonis Vorschläge parat und empfiehlt etwa, die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent anzuheben, um die Lohnnebenkosten zu reduzieren. So abwegig ist das nicht: Die gesetzlichen Sozialversicherungen bringen mehr als zehn Milliarden Euro jährlich auf, um Leistungen zu finanzieren, die Aufgabe des Steuerzahlers wären. Trotzdem wurde Simonis erneut abgemahnt, diesmal gar vom Kanzler. Schade. ULRIKE HERRMANN