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Archiv-Artikel

Nordkorea erlässt Haarbefehl für Männer

Der sozialistische Lebensstil beginnt auf dem Kopf. Pjöngjang drängt zum Coiffeurbesuch im Zwei-Wochen-Takt

TOKIO taz ■ Den Taliban in Afghanistan konnte es nicht haarig genug sein – wehe den Männern, die sich dem Bartwuchs verweigerten. Die Ideologiewächter Nordkoreas, eines ähnlich kruden Regimes, marschieren nun genau umgekehrt: Mehr als fünf Zentimeter Haar gehört auf keinen sozialistischen Männerschopf, tönt es aus Pjöngjang. Laut der britischen BBC ist im abgeschotteten Land eine noch nie da gewesene Kampagne gegen Schlendrian auf dem Kopf im Gange. Der Slogan: „Für einen Haarschnitt im Einklang mit dem sozialistischen Lebensstil“.

Nun besteht der sozialistische Lebensstil in Nordkorea zu einem guten Teil aus Hungern. In diesem Sinne ist die Begründung für das Haaredikt nachvollziehbar: Wer die Haare wachsen lässt, verbrauche mehr Energie. Dies gehe auf Kosten des Gehirns, mahnt ein Fernsehspot. Kurzum: Lange Haare gefährden die menschliche Intelligenz.

Staatlich sanktioniert ist der so genannte „Igelschnitt mit flacher Oberseite“, ein als Hochfrisur bezeichneter Schnitt, oder das Gegenstück, die Niedrigfrisur. Minimumlänge ein Zentimeter, Maximallänge fünf. Zwei Zentimeter ausscheren dürfen Männer über 50: Bis sieben Zentimeter sind zulässig, um lichte Stellen abzudecken. Nordkoreas Wochenschau informierte kundenfreundlich über revolutionstreue Coiffeursalons und drängt zum Schnitt alle zwei Wochen.

Nordkoreas dröges Staatsfernsehen bedient sich neuerdings geradezu verwegener Techniken. Langhaarige wurden in Pjöngjang auf offener Straße gestellt oder in Versteckte-Kamera-Manier gefilmt. Dies berichtet der BBC-Monitoringdienst, der Nordkoreas Medien beobachtet. Männer jenseits der Frisurnorm würden mit Namen und Adresse an den TV-Pranger gestellt. Auch dies ein Bruch mit der Tradition, denn bisher pickten Kampagnen nur Personen heraus, die als Vorbilder galten.

Nur bei einem Abweichler drücken die Frisur-Wächter beide Augen zu. Gibt es in Pjöngjang nicht einen kleinwüchsigen Mann mit einer eigenwilligen, Spray-gestärkten Plateau-Frisur? Der erste Mann im Staate, Diktator Kim Jong Il, trägt eine Energie fressende Haarpracht, jenseits aller Normen und Gebote. MARCO KAUFFMANN