piwik no script img

Archiv-Artikel

Futuristische Kuschellampen

BELEUCHTUNG In Dresden wird an der Zukunft der Gemütlichkeit gearbeitet. Die OLED-Lampe strahlt genauso warm wie die aussterbende Glühbirne

Der Warmton, der hohe Rotanteil im weißen Licht der Glühlampe, ist also wieder da

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Edisons Glühlampe begleitet uns nun schon seit 1879. Und darf offenbar nicht sterben: Baumärkte und Elektrogeschäfte berichten von Hamsterkäufen. Aufgrund der schrittweisen Durchsetzung des EU-Glühlampenverbots, nun schon ab 1. September, sollen die 100-Watt-Glühbirnen endgültig aus dem Handel verschwinden – wo sie doch so schön warm und anheimelnd leuchten! Kuschellicht und Energiesparlampe vertrugen sich bislang nicht.

Die Beleuchtungsnot

Doch wo die Beleuchtungsnot am größten ist, wächst das Rettende auch, um Hölderlin einmal auf das Lampensockelformat zu adaptieren. An der Technischen Universität Dresden forscht man seit vielen Jahren an organischen Leuchtdioden, sogenannten OLEDs. Sie sind die auf der Basis organischer Kohlenwasserstoffe arbeitenden Geschwister der anorganischen Halbleiter-Leuchtdioden, den schon lange bekannten LEDs, die bei hoher Lichtausbeute extrem wenig Strom verbrauchen. Ihr Siegeszug begann einst als Anzeigenlämpchen, nunmehr gibt es sie zum Beispiel als Fahrzeugscheinwerfer und – unter Vorbehalt – eben auch in Wohn- und Geschäftsräumen.

Das Institut für Angewandte Photophysik an der TU Dresden hat sich bislang mit Weltneuheiten wie dem „Elektronischen Papier“ oder der „Fernsehtapete“ einen Namen gemacht. Einer neuen Generation flexibler und dünner Displays, die wie Papier zusammengerollt werden können. Warum sollte man sie nicht auch zu Beleuchtungszwecken weiterentwickeln?

Was im Beyer-Bau der TU Dresden zu Versuchszwecken aufgebaut ist, sieht auf den ersten Blick noch nicht nach Beleuchtungsrevolution aus. Kleine, intensiv in verschiedenen Farben leuchtende Flächen von maximal drei bis vier Zentimeter Seitenlänge. Die Verbindungsstrukturen für die Nanometer-dünnen Schichten auf den Glasplättchen sind derzeit noch größer als die eigentliche Leuchtfläche. Doch schon wenige Sätze des jungen Doktoranden Sebastian Reineke lassen das Potenzial dieser Technik erahnen. Reinekes Forschungsgruppe hat es geschafft, die Effizienz dieser OLEDs über die der bislang maßstabsetzenden Leuchtstoffröhren hinaus zu steigern. Eine Glühlampe kann aus einem Watt elektrischer Leistung maximal einen Lichtstrom von 15 Lumen erzeugen, eine reflektorverstärkte Leuchtstoffröhre maximal 70 Lumen. Die Dresdner Physiker erreichen mit OLEDs derzeit 90 Lumen und mehr.

„Anders als bei den bekannten LED-Punktstrahlern handelt es sich um Flächenstrahler“, betont Sebastian Reineke. Das mag für unsere Augen eine Umstellung bedeuten, vermeidet aber zugleich den Blick in schmerzhaft helle Lichtquellen. Denn für die gleiche und vor allem gleichmäßigere Raumausleuchtung muss der Flächenstrahler weniger hell leuchten als eine Punktquelle. So kann nicht nur ein Tapetenabschnitt den Raum erleuchten, sondern auch ein tagsüber transparentes Fenster.

Hauptvorteil gegenüber dem „kalten“ Licht von Leuchtstoffröhren und LED-Punktstrahlern aber ist die relativ einfache Steuerung der Farbtemperatur. „Wir können jede der drei Farbkomponenten beliebig additiv mischen“, erklärt Reineke. Der geschätzte Warmton, der hohe Rotanteil im weißen Licht der Glühlampe, ist also wieder da.

Die Pilotlinie

Anders als bei den Displays möchte man in Dresden den Sprung von der Forschung zur Marktreife nicht wieder den Asiaten überlassen. An der Novaled AG, einer Ausgründung des Instituts mit etwa 100 Mitarbeitern, wird schon an alterungsbeständigen professionellen Materialien gearbeitet. Das Fraunhofer-IPMS-Institut baut eine Pilotlinie für die Fertigung von größeren Strahlern auf. „Bis zur Serienproduktion werden aber noch mindestens drei bis vier Jahre vergehen“, schätzt Sebastian Reineke. Dann beginnt die Zukunft.