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Archiv-Artikel

Katholiken bald heimatlos

Sparmaßen des Ruhrbistums Essen sehen die Auflösung etlicher Kirchengemeinden vor. Die Weiternutzung ist unklar. Leer stehende Kirchen könnten verkauft oder abgerissen werden

VON HOLGER PAULER

Die Sparpläne des Ruhrbistums Essen könnten in den Ruhrgebietsstädten für gespenstische Szenarien sorgen. Durch Zusammenlegungen von katholischen Gemeinden werden binnen kurzer Zeit etliche Kirchengebäude nicht mehr gebraucht. Allein die zum Ruhrbistum gehörende, rechtsrheinische katholische Ortskirche Duisburg will ihre bislang 50 Kirchengemeinden auf 30 reduzieren. Vier große Pfarrgemeinden, mit jeweils fünf bis sieben Untergemeinden sollen entstehen. Für 20 Kirchen gäbe es in Duisburg keine Nutzung mehr. „Die Alternativen sind Vermietung, Verkauf oder Abriss“, sagt Winfried Dollhausen, Sprecher der katholischen Kirche in Duisburg.

„Das ist ein hoch sensibles Thema“, sagt Bistumssprecher Ulrich Lota. Eine Kommission, in der neben kirchlichen Vertretern auch Historiker oder Leuten aus der Wirtschaft vertreten sind, soll über die Zukunft der Kirchen entscheiden. Die Zusammenlegung der bisherigen 260 Bistums-Gemeinden zu 30 bis 35 Großgemeinden mit jeweils vier bis sieben Untergemeinden scheint beschlossene Sache. Insgesamt werden etwa 100 Gemeinden verschwinden. „Wir müssen in diesem Zusammenhang prüfen, welche Immobilien nicht mehr gebraucht werden und diese dann zum Verkauf anbieten“, sagt Ulrich Lota.

Interessenten stehen in Zeiten knapper Kassen gerade im Ruhrgebiet nicht unbedingt Schlange. „Leerstände sind natürlich bedauerlich, Pläne die Immobilien zu kaufen gibt es momentan nicht“, sagt Peter Hillebrands, Sprecher der Stadt Duisburg. Private Investoren halten sich ebenfalls zurück. Droht der Abriss?

In diesem Fall müsse das Gebäude in einem „liturgischen Akt“ allerdings erst „profanisiert“ werden, sagt Ulrich Lota. Seit der Gründung des Ruhrbistums wurde erste eine Kirche abgerissen. Das Gebäude der St. Bernhard Kirche in Essen Vogelheim. „St. Bernhard war die erste Gemeinde, die vom Ruhrbistum gegründet wurde. Man hatte gehofft, dass in der Nachbarschaft Wohnviertel entstehen. Statt dessen wuchs ein Gewerbegebiet heran. Die nötigen Mitgliederzahlen wurden nicht erreicht“, sagt Lota. Für viele Mitglieder sei der „Verlust der Gemeinde“ wie der „Verlust der Heimat“.

Grund für die Sparpläne der Gemeinden sind Steuerausfälle in Millionenhöhe. Seit der Gründung hat das Ruhrbistum über ein Drittel der Mitglieder verloren. Momentan sind 953.000 Katholiken registriert. In Duisburg sank die Zahl im Vergleichszeitraum von 250.000 auf 119.800 Gemeindemitglieder. Austritte, Umzüge, Arbeitslosigkeit. „Die wirtschaftliche Lage kommt gerade unserer Region nicht gelegen.“ Zum Ruhrbistum gehören neben dem rechtsrheinischen Teilen der Stadt Duisburg unter anderem die strukturschwachen Städte Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck.

Mit den Gemeinden werden auch etliche Stellen, Seelsorge- und Kindergartenplätze wegfallen. „Wir sind bundesweit die ersten, die zu diesen notwendigen Maßnahmen greifen“, sagte Lota. Ruhrbischof Felix Glenn sprach sogar von einem „Paradigmenwechsel“, den andere Diözesen nachvollziehen würden. Leer stehende Kirchen werden dabei zum sichtbaren Symbol der kirchlichen Sparpläne.