Fannings Fingerabdruck

Napster-Gründer Shawn Fanning will der Musikindustrie helfen, Tauschbörsen-Nutzer vor Gericht zu bringen

Mein Problem der sieben Ragas, die ich letztes Jahr ohne Namen aus einem Tauschnetz gefischt habe, ist endlich gelöst. Ein anderer Liebhaber dieser Art Musik hat in einem anderen Tauschnetz die komplette CD dieser fabelhaften Sängerin in ein Archiv gepackt und obendrein noch ein winzig kleines Bild des originalen Covers, eine Textdatei mit der Titelliste und eine Erläuterung des in diesem Fall benutzten speziellen Kompressionsformats dazugelegt – in Französisch. Dieses Kompressionsformat allerdings scheint vor allem an der Uni Jena gepflegt zu werden. Es heißt MPC und klingt tatsächlich erheblich besser als ordinäres MP3. Ob es wirklich auch noch viel besser ist als Vorbis, könnte man diskutieren. Open Source jedenfalls ist beides, die passende Software (auch für Windows) und alles Weitere, was man dazu wissen muss, ist unter www.musepack.net zu finden (Vorbis unter www.vorbis .com).

So eben sind wahre Freunde guter Musik. Sie denken an alles, achten darauf, dass alles verständlich ist und möglichst gut klingt. Sie sind es, die die Tauschbörsen zu einer unverzichtbaren Einrichtung des Kulturlebens gemacht haben. Auch Shawn Fanning, der Gründer der inzwischen legendären Tauschbörse Napster macht sich Gedanken über das Problem, Musikstücke in Tauschnetzen eindeutig zu identifizieren. Seine Lösung besteht darin, in die Audiodaten einen digitalen Fingerabdruck einzufügen. Mit dieser Idee ist es ihm gelungen, den Konzern Universal Music dazu zu überreden, praktisch sein gesamtes Archiv in ein neues Tauschnetz namens Snocap zu stellen. So ist es zumindest auf einer Pressekonferenz Anfang des Jahres gesagt worden. Gegen bislang nicht bezifferte Gebühren soll man sich dann Universal-Titel in diesem Netz abholen können, die dann mithilfe von Fannings Fingerabdruck jederzeit wieder aufgefunden werden können, egal in welchem anderen Netz sie auftauchen mögen.

Die Idee klingt bestechend. Falls wieder einmal jemand vergisst, eine Musikdatei so zu benennen, dass der Titel des Stücks erkennbar ist, könnte man mit Fannings Fingerabdruck in der Universal-Datenbank nachschauen. Was aber bisher über das Projekt zu erfahren ist, lässt leider eher darauf schließen, dass Fanning kein derart guter Freund guter Musik ist. Er ist vielmehr dabei, seinen legendären Ruf zu verspielen, denn die Musikdateien werden bei Snocap auch DRM genannte Kopierschutztricks enthalten.

Im schlimmsten Fall könnte die Musik mit einem Text unterlegt sein, der zum Kauf des Stücks auffordert. Wahrscheinlich weiß man inzwischen aber auch bei Universal, dass dies Kunden vergrault. Und man weiß ebenfalls, dass alle anderen Schutzmechanismen in wenigen Stunden geknackt und die Stücke in den normalen Tauschnetzen verfügbar sind. Das Einzige, was Universal bleibt, sind die Gerichte. Fannings Fingerabdrücke sollen ihren Rechtsanwälten helfen, Klagen gegen Tauschbörsenmitglieder zu formulieren.

NIKLAUS HABLÜTZEL