: Ostfriesen-SPD eiert um die Janssen-Lüge
Das VW-Zweitgehalt hätten die Genossen ihrem Bundestagsabgeordneten Jann Peter Janssen aus Norden verziehen – seine „Falschaussage“ deprimiert sie. Zwei SPD-Landtagsabgeordneten droht weiter Entzug der Nebeneinkünfte
Zwischen „fassungslos“ und „wir haben Mitleid mit ihm“, kommentiert die ostfriesische SPD den Rücktritt ihres Bundestagsmitglieds Jann Peter Janssen aus Norden. Kurz und schmerzhaft war der Abgang des „kantigen, netten Kerls“ (SPD-MdB Reinhold Robbe). Wie ein Känguru sei Garrelt Duin, Europaabgeordneter und SPD-Bezirkschef, letzten Donnerstag vor dem SPD-Haus in Norden herumgesprungen: „Die Kacke war am Dampfen“, erinnert sich ein Augenzeuge.
Die regionalen SPD-Bosse hatten Janssen zum Rapport bestellt. Der hatte morgens seinem Unterbezirksvorstand versichert: „Ich habe kein Zweitgehalt von VW bekommen.“ Mittags hatte VW dementiert: „Janssen steht auf unser Gehaltsliste.“ Abends und nachts wurde Janssen weich gekocht, damit er am Freitagmittag „freiwillig“ den Rücktritt von allen Ämtern bekannt gibt. Seit 1964 ist der Norder Schiffbauer Janssen in der SPD, bis 1996 war er VW-Betriebsratsvorsitzender. Schon seit 1994 saß er im Bundestag, Diäten plus VW-Gehalt bezog er bis 2004.
„Unsere Leute hätten Janssen das zweite Gehalt verziehen, seine Falschaussage war nicht mehr zu verzeihen“, sagt Reinhard Pauk, der Norder SPD-Geschäftsführer, der taz. Aus der Partei rausschmeißen will Pauk Janssen nicht: „Wegen seiner Verdienste.“ Während der Spiegel ätzt, manche Berliner KollegInnen hätten Janssen erst durch seinen Rücktritt wahrgenommen, sagt Pauk: „Er hat viel für die Stadt Norden und die Emder Thyssen Nordseewerke getan.“
Die Auricher sind da distanzierter: „Wir haben ihn hier nicht so oft gesehen“, murrt SPD-Mann Rolf Blesene. Aurich gehört zu Janssens Wahlkreis. Ein Genosse mäkelt: „Wenn er für Auricher Wahlhelfer in der Wahlnacht ein Fass Bier versprochen hatte, konnte man sich nicht darauf verlassen.“ In Leer gibt sich Remmer Hein, SPD-Unterbezirksgeschäftsführer, emotional: „Wir sind fassungslos. Unverständlich, warum Janssen so eine Falschaussage machen konnte.“ Aber während SPD-Chef Franz Müntefering am Wochenende Janssen noch der blanken Lüge bezichtigte, kommt dieses Wort keinem Ostfriesen über die Lippen. „Wir haben Mitleid mit dem Menschen Janssen“, sagt Janssens Norder Genosse Pauk.
Janssen selbst ist abgetaucht. „He kümmert sük“, war sein Motto im Wahlkampf. Seine Homepage hat er abgeschaltet, seitdem sein Gästebuch von wütenden Kommentaren enttäuschter WählerInnen geflutet wurde.
Währenddessen droht den niedersächsischen SPD-Landtagsabgeordneten Ingolf Viereck und Hans-Hermann Wendhausen weiter der Einzug der Nebeneinkünfte, die sie von 1994 bis Ende 2004 von VW bekamen. Es geht dabei um mehrere Hunderttausend Euro. Landtagspräsident Jürgen Gansäuer will heute entscheiden, wie er ein Schreiben von VW über die Nebentätigkeiten der Abgeordneten bewertet. Thomas Schumacher