: Gendatei auf Expansionskurs
Weil der mutmaßliche Mörder von Rudolph Moshammer schnell per Gendatei geschnappt wurde, möchten Union,SPD und Polizei mehr Menschen in der Datei speichern. Den Richtervorbehalt wollen sie ebenfalls abschaffen
VON CHRISTIAN RATH
Der schnelle Ermittlungserfolg im Fall Rudolph Moshammer hat politische Folgen. Politiker der Union, der SPD sowie Polizeiverbände sprachen sich gestern für ein Ausweiten der DNA-Analysedatei beim Bundeskriminalamt aus. Die Grünen und Datenschützer lehnten dies ab.
„Der einengende Straftatenkatalog, wonach die DNA-Analyse nur bei schweren Straftaten und Sexualtaten angeordnet werden darf, muss aufgehoben werden“, erklärte gestern Hartmut Koschyk, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Die Union fordert schon seit Jahren, dass die Speicherung des genetischen Fingerabdrucks zur normalen erkennungsdienstlichen Behandlung gehören sollte. Eine richterliche Anordnung wäre dann überflüssig. Auch sein SPD-Kollege Dieter Wiefelspütz hält eine Ausweitung der Datei für notwendig und den Richtervorbehalt für „überflüssig“. Zahlreiche SPD-Innenminister wie Fritz Behrens (NRW) und Klaus Buß (Schleswig-Holstein) stehen an seiner Seite.
Die DNA-Analysedatei, auch Gendatei genannt, wurde 1997 vom damaligen Innenminister Manfred Kanther (CDU) eingerichtet. Sie soll das Überführen von Rückfalltätern erleichtern. Derzeit sind in der Datei fast 400.000 Datensätze enthalten, etwa 15 Prozent davon sind anonyme Täterspuren. Wenn die Polizei heute bei einer schweren Straftat Blut-, Sperma- oder Speichelspuren feststellt, kann sie daraus ein DNA-Profil gewinnen. Selbst ein Haar genügt. Die neue Tatortspur wird mit den Datensätzen der Wiesbadener Datei abgeglichen. Bei einem Treffer hat man entweder sofort einen Tatverdächtigen, wie im Fall Moshammer, oder kann die Tat zumindest anderen noch unaufgeklärten Verbrechen zuordnen. So wurde jüngst der bayerische Briefbomben-Attentäter enttarnt. Je mehr Personen in der DNA-Datei gespeichert sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine neue Tatortspur zu einem Treffer führt.
Die Grünen lehnen eine Änderung allerdings nach wie vor ab. „Die Überführung des Täters erfolgte nach geltendem Recht und belegt, dass eine Regelungslücke nicht besteht“, sagte gestern Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Fraktion. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Reinhard Vetter warnte vor einer „willkürlichen Ausweitung der Analysedatei“, die nur der erste Schritt zur Registrierung der ganzen Bevölkerung sei. Auch FDP-Chef Westerwelle warnte davor, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen – was gestern freilich niemand tat.
Der mutmaßliche Mörder von Moshammer, der Iraker Herisch A., war in der Analysedatei gespeichert, weil er im Jahr 2004 von einer Frau wegen Vergewaltigung angezeigt worden war. Er stimmte dann der Anfertigung und Speicherung einer DNA-Analyse freiwillig zu und ersparte der Polizei damit den Gang zum Richter. Dieser hätte Test und Speicherung aber sicherlich auch angeordnet. Die Frau zog später zwar den Vorwurf der Vergewaltigung aus derzeit unbekannten Gründen zurück, nach Angaben des jetzt ermittelnden Staatsanwaltes Peter Boje blieb jedoch ein „Restverdacht“ bestehen. „Deshalb blieb die Speicherung von A.s genetischem Fingerabdruck erlaubt“, so Boje.
Normalerweise bleibt ein DNA-Profil zehn Jahre lang in der Gendatei, bevor es gelöscht wird. Bei einer Haftstrafe beginnt die Frist allerdings erst zehn Jahre nach der Entlassung. Wenn sich der Gespeicherte zwischenzeitlich erneut strafbar gemacht hat, unterbleibt die Löschung. Bei einem dorfweisen freiwilligen Massentest wird nur ein Treffer in Wiesbaden gespeichert. Alle anderen DNA-Profile werden wieder vernichtet.
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