DIE USA UND IRAN – UNBERECHENBARKEIT ERHÖHT DIE SPIELRÄUME
: Mehr als taktisches Geplänkel

Lautstark, doch in der Sache windelweich haben Weißes Haus und Pentagon den Bericht des US-amerikanischen Investigativjournalisten Seymour Hersh zurückgewiesen, nach dem bereits US-Spähtrupps im Iran unterwegs und Kriegsvorbereitungen gegen das Land der Mullahs im Gange seien. Diese Art von Dementi liest die Öffentlichkeit – in aller Regel zu Recht – als Bestätigung.

Nun mag man vermuten, dass sich Präsident George W. Bush kurz vor seiner unverschämt pompös inszenierten Amtseinführungsfeier andere Schlagzeilen gewünscht hätte. Immerhin steht seine designierte Außenministerin Condoleezza Rice seit gestern dem Kongress im Bestätigungsverfahren Rede und Antwort und muss nun womöglich nicht nur unangenehme Fragen zu nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen im Irak, sondern auch noch zu den Plänen für den Iran beantworten. Sie hat in den letzten Wochen zu Protokoll gegeben, sie werde in der zweiten Bush-Amtszeit der Diplomatie gegenüber dem Militärischen wieder zum Durchbruch verhelfen und den Ausgleich mit den verprellten Partnern suchen. Da erscheinen Pentagonpläne für einen bevorstehenden Irankrieg unpassend.

Denjenigen jedoch, die eine militärische Drohkulisse gegen Iran für unabdingbar halten, um das Mullahregime unter Druck zu setzen, nutzen Hershs Veröffentlichungen. Bushs Äußerung, er schließe einen Militäreinsatz nicht aus, sollte der Iran nicht parieren, spricht Bände: Nichts will Washington weniger als einzugestehen, dass seine militärischen Kapazitäten im Irak bis auf Weiteres gebunden sind. Wer sich unberechenbar gibt, erhöht seine Spielräume.

Ist also Unaufgeregtheit angezeigt, darf man hoffen, es handele sich bei den von Hersh berichteten Plänen um taktisches Geplänkel? Dagegen sprechen die Erfahrung des Irakkrieges – und die Quellen, die Hersh benutzt hat. In den Geheimdiensten, allen voran der entmachteten CIA, ist offensichtlich eine gewaltige Säuberungsaktion im Gange. Wer nicht der reinen Lehre der Neocons anhängt, fliegt raus oder geht freiwillig. Wenn sich diese Leute an jemanden wie Hersh wenden, muss man das leider sehr ernst nehmen. BERND PICKERT