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Archiv-Artikel

„Einmalige Aufklärung reicht nicht“

Angela Plücker, Leiterin der Pro-Familia-Beratungsstelle in Burscheid, spricht mit der taz über mangelnde Sexualaufklärung und warum mit dem Bildungsgrad der Mädchen die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche steigt

taz: Warum ist die Zahl der Abbrüche so stark gestiegen?

Angela Plücker: Die Zahlen erscheinen mir sehr hoch. Sie sind wohl vor allem darauf zurückführen, dass die Jugendlichen ihren ersten Geschlechtsverkehr immer früher haben. Denn auch die Zahl der minderjährigen Mütter ist höher als vor einigen Jahren, es kommt allgemein zu mehr ungeplanten Schwangerschaften. Jugendliche verhüten nachlässiger, viele Mädchen glauben, sie könnten beim ersten Mal nicht schwanger werden.

Wie kann das in einer solch aufgeklärten Gesellschaft wie unserer passieren?

Ich glaube, dass unsere Aufklärungsarbeit heute nicht mehr so stringent ist. Man muss sich klar machen, dass jede Generation neu aufgeklärt werden muss...

... Aber reichte nicht immer schon die BRAVO, um zu wissen, dass auch das erste Mal zur Schwangerschaft führen kann?

Das stimmt schon. Aber beim Thema Liebe und Sex klaffen Verstand und Gefühl oft weit auseinander. Deshalb reicht wohl eine einmalige Aufklärung im Sexualunterrricht oder durch BRAVO nicht.

Zurück zu den Abbrüchen. Warum entscheiden sich immer mehr Mädchen dafür?

Die allermeisten nennen ihre berufliche Situation als Grund. Sie wollen ihre Schule oder ihre Ausbildung nicht abbrechen. Auffallend ist, dass häufiger diejenigen mit guten Berufschancen abtreiben als die Mädchen, die einen schlechten oder überhaupt keinen Schulabschluss haben.

Ein Kind als Ersatz für beruflichen Erfolg?

Gymnasiastinnen treiben eher ab als Hauptschülerinnen, auch wenn sie seltener schwanger werden. Zudem neigen Mädchen, die reflektierter mit sich umgehen und sich nicht reif genug fühlen für ein Kind, häufiger zum Abbruch.

Wie wichtig ist der Einfluss der Familie?

Der ist besonders stark bei muslimischen Mädchen. Weil sie ihren Eltern keine Schande bereiten wollen, lassen sie ihr Kind heimlich abtreiben.

NATALIE WIESMANN