: Fünf Meter Helmut Kohl
Das komplette analoge Bildarchiv des „Spiegel“ geht als Dauerleihgabe an das Internationale Haus der Photographie in den Deichtorhallen
Von Petra Schellen
Er ist nicht sentimental, sondern eher auf eigensinnige Art überzeugt: „Ich glaube trotz der wachsenden Konkurrenz zwischen Fernsehen und Printmedien weiterhin an die Kraft des gedruckten Bildes“, sagte gestern der Ex-Modefotograf und Sammler F. C. Gundlach, seit 2003 Gründungsdirektor des Internationalen Hauses der Photographie in den südlichen Deichtorhallen. Um drei Millionen Fotografien – das gesamte analoge Spiegel-Bildarchiv in Dauerleihgabe – sind die Deichtorhallen jetzt reicher; ein Sieg, den Gundlach und Deichtorhallen-Direktor Robert Fleck nicht triumphierend, sondern eher erleichtert feierten.
1,2 Kilometer Fotos aus allen Ären des Spiegel seit dessen Gründung im Jahr 1947 werden bald in Keller und einem 80 Quadratmeter großen Büro im Erdgeschoss der Nordhalle zu sehen sein. Den Umzug, zwei Archivare, die mitziehen, sowie alle laufenden Kosten – auf zehn Jahre im voraus – finanziert komplett der Spiegel. Und das dem Vernehmen nach nicht, um im eigenen Hause Raum zu schaffen, sondern „um diese Fotos, von denen wir die Wichtigsten bereits digitalisiert haben, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, betonte Spiegel-Geschäftsführer Karl Dietrich Seikel.
Seit dem Jahr 2000 arbeite die Redaktion fast ausschließlich mit digitalen Fotos, sagt er, so dass die „physische Präsenz“ der analogen Bilder dort nicht mehr nötig sei. Warum also nicht die frühen Vintage-Prints auf Barythpapier sowie die später auf Plastik gedruckten Schwarzweiß- und Farbfotos öffentlich machen? „Diese Sammlung bietet nicht nur einen Querschnitt durch die Zeitgeschichte, sondern ist auch ein historisch gewachsenes Konvolut, das uns als wertvoller Teil unseres kulturellen Gedächtnisses erhalten bleiben sollte“, freute sich F. C. Gundlach.
Ein Fundus, in dem Interesssenten ab April 2005 werden schürfen können: allein 470 Meter Personalien – davon je fünf für Helmut Kohl und Franz Josef Strauß –, 110 Meter Geschichte, 177 Meter Deutschland und 190 Meter Ausland sowie die gesamte Karikaturensammlung des Spiegel werden dort zu sehen sein. Und selbstverständlich sollen in den nächsten Jahren auch Ausstellungen aus diesen Beständen bestückt werden.
In puncto Urheberrechte nimmt Spiegel-Fotoredakteurin Christiane Gehner den Betroffenen im Übrigen frühzeitig den Wind aus den Segeln: „Wir haben bewusst sehr früh die Fotografenvereinigung ,Freelens‘ eingebunden, denn mit dem Umzug verändert sich ja nicht die grundlegende Rechtssituation: Vor jeder Ausstellung werden die Fotografen selbstverständlich um ihre Einwilligung ersucht.“
Die erste aus dem Spiegel-Archiv bestückte Ausstellung Ende April wird zudem Deichtorhallen-Direktor Robert Fleck persönlich kuratieren: „Helmut Schmidt – Bilder meines Lebens“ soll sie heißen, 200 gemeinsam ausgewählte Fotos zeigen und vor allem das transportieren, was Fleck an dem Archiv besonders beeindruckt: „Dass durch die massenhaften Fotos, die etwa von Politikern gemacht werden, unbeabsichtigt ein Dokument auch subtiler Zeitgeschichte, von scheinbaren Nebensächlichkeiten entsteht, das vielleicht beredter Auskunft gibt als das eigentliche Haupmotiv.“