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Archiv-Artikel

Jukebox

Musik aus derBirkenstock-Sandale

Diese kleine Zeitung verzichtete bislang auf die Rubrik „Was wurde eigentlich aus …?“. Wir richten sie hiermit kurzfristig und auf eine Ausgabe beschränkt ein: Was wurde eigentlich aus Bettina Wegner? Aus der Frau, für die die Geschichte der Popmusik mit der „Mundorgel“ ein für alle Mal beendet wurde? Die noch aus einer Birkenstocksandale Musik pressen konnte? Deren Musik der Soundtrack zur inneren Emigration der Linken nach dem deutschen Herbst wurde – oder so. Mit der nicht nur jede Benefiz-Veranstaltung und jeder Soli-Basar, sondern auch noch ganze Jahrgänge an armen Geburtshauskindern pränatal beschallt wurden? Die jahrelang für die Freilassung Mumia Abu Jamals demonstrierte und dabei zu der Erkenntnis gelangte, dass die Todesstrafe „scheiße“ ist? Die es immerhin geschafft hat, den an sich unschuldigen Satz „Sind so kleine Hände“ zu kontaminieren und für immer in die Populärkultur dieses Landes einzubrennen? Ja, was wurde eigentlich aus Bettina Wegner? Sie feiert am morgigen Samstag ihr 35-jähriges Bühnenjubiläum. Diese Tatsache und vor allem die Wiederholungen von „Formel Eins“ sowie das Durchgucken der eigenen Plattensammlung führen einem allerdings schmerzhaft vor Augen, wie sich die Zeiten geändert haben. Im Vergleich zu den eigenen Erinnerungen sehen die Bilder von Bettina Wegner aus jenen Tagen, allen voran die Cover ihrer Platten, nämlich vergleichsweise cool aus. Wenn also etwas bleibt aus den 80er-Jahren, dann sind es wohl nicht Popperlocken, spitze Stiefel und Batik-Hemden, sondern doch vielleicht die Stimme von Bettina Wegner, wie sie ein wenig zu dünn und ein wenig zu bestimmt von Zerbrechlichkeit singt. Vielleicht hat sie also doch Recht gehabt, vielleicht liegt’s auch nur daran, dass Kinderkriegen den Musikgeschmack verändert. Allerdings dann doch nicht so stark, dass man Bettina Wegners Musik vollkommen rehabilitieren wollte. THOMAS WINKLER