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Archiv-Artikel

Monatelanges Irren durch die Ämter

Neue Hartz-Lücke: Eine arbeitslose Mutter lebt mit ihren in Ausbildung stehenden Kindern zusammen – aber die Miete bekommt sie nicht voll erstattet. Den Söhnen wiederum werden Bafög und Sold gekürzt, weil sie ja zu Hause lebten

BERLIN taz ■ Gabi Schulz * ist eine Langzeitarbeitslose, wie es sich die Regierung nur wünschen kann: Die 47-jährige Schauspielerin findet es richtig, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden und dass alle nur noch höchstens 345 Euro plus Unterkunft erhalten. „Damit könnte ich leben“, sagt die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen.

Der Konjunktiv „könnte“ ist wichtig. Denn als Schulz ihren Bescheid, war sie schockiert, wie wenig Arbeitslosengeld II sie tatsächlich erhält. 513,91 Euro werden monatlich überwiesen, „das reicht nicht mal für die Miete“. Zunächst vermutete Schulz ein Versehen, „aber langsam stellte sich eine Gesetzeslücke heraus“.

Denn ein Fall wie die Berliner Familie Schulz scheint bei Hartz IV nicht vorgesehen. Dabei wirkt alles so normal: Gabi Schulz lebt mit ihren beiden erwachsenen Söhnen in einer kleinen 3-Zimmer-Wohnung. Der 22-jährige Andreas studiert Elektrotechnik und erhält Bafög, der 20-jährige Robin ist Zivildienstleistender und bekommt Sold.

In den technokratischen Begriffen von Hartz IV ist Gabi Schulz jedoch eine „Bedarfsgemeinschaft“ – allein. Ihre beiden erwachsenen Söhne werden vom Jobcenter behandelt, als sei die Familie eine zufällige Wohngemeinschaft. Konsequenz: Schulz bekommt mit 168,91 Euro nur ein Drittel ihrer Miete erstattet, die insgesamt 515,70 Euro warm beträgt.

Den Rest sollen die Söhne aufbringen. Doch wovon? Beide erhalten nur einen reduzierten Satz beim Bafög und beim Sold. Offizielle Begründung: Sie würden ja zu Hause wohnen und brauchten keine Miete zahlen.

Seither irrt Gabi Schulz durch die Ämter. Überall erfuhr sie folgenloses Bedauern. „Das tut uns Leid, da werden Sie auf allen Fronten benachteiligt“, gab man etwa bei der Hotline der Arbeitsagentur zu. Das Bafögamt riet Schulz, „sich etwas einfallen zu lassen“. Das Kölner Bundesamt für Zivildienst empfahl, bei der Unterhaltssicherungsbehörde einen Härtezuschlag zu beantragen. Dort wiederum riet „eine sehr freundliche Frau“, lieber einen Mietzuschlag zu verlangen – der würde zwar abgelehnt, aber dann könne sie wenigstens Widerspruch einlegen. Widerspruch will Schulz auch gegen den Bescheid über ihr Arbeitslosengeld II einreichen, aber viel erhofft sie sich nicht: „Eigentlich wurde doch alles richtig berechnet, wenn ich mir die Bestimmungen durchlese.“

Nach einem Monat der pausenlosen Amtskontakte hat Schulz immerhin erreicht, dass sie zumindest für ihren studierenden Sohn Andreas Wohngeld beantragen darf. Das Bürgeramt hat ihr jedoch mitgeteilt, dass es „höchstens ein kleiner Zuschuss ist“.

Gabi Schulz ist ratlos, wie sie die Mietlücke schließen soll. Vielleicht bleibt nur eine Lösung: Die Familie muss auseinander ziehen. Für den Staat würde das deutlich teurer. Außerdem kann Schulz einfach nicht glauben, „dass es der Sinn von Hartz IV war, dass man nur noch Anträge schreibt statt Bewerbungen“.

ULRIKE HERRMANN

* geänderte Namen