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Archiv-Artikel

Seebeben-Warnung aus Potsdam

Deutsche Forscher rechnen sich Chancen aus, dass künftige Meldesystem für Flutwellen im Indischen Ozean aufzubauen. Im Gegensatz zum amerikanisch-japanischen Modell seien die Dateien weltweit zugänglich, so Wissenschaftsministerin

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Wer darf das Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean bauen? Diese Frage bleibt vorerst offiziell unbeantwortet. Heute endet zwar die Katastrophenschutzkonferenz im japanischen Kobe, aber es soll nur ein Beschluss zum Verfahren fallen: Die UNO wird beauftragt, in den nächsten Monaten einen Vorschlag zu unterbreiten, wer das Warnsystem entwickeln soll.

Dennoch rechnet sich Deutschland Chancen aus: „Wir sind optimistisch“, sagte Rolf Emmermann vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) zur taz. Diplomatisch, aber ebenso zuversichtlich, äußert sich auch Wissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn (SPD). „Es gibt bereits eine lange, traditionelle Zusammenarbeit mit Indonesien“, sagte sie der taz. Zudem sei das deutsche System offen: „Die Daten sind weltweit verfügbar, und alle können darauf zurückgreifen.“ Spitzer Nachsatz: „Anders als bei anderen Systemen.“

Das lässt sich nicht missverstehen, denn bisher existiert nur ein Tsunami-Warnsystem: im Pazifik, betrieben von Japan und den USA (siehe nebenstehenden Text). Sollte ihr System auch auf den Indischen Ozean ausgeweitet werden, fürchten sowohl einige Anrainerstaaten wie die Europäer, dass die Amerikaner die Daten monopolisieren könnten. Dennoch soll jeder Eindruck der Staatenkonkurrenz vermieden werden. „Es geht um Kooperation“, betont Bulmahn. „Unser Vorschlag ist für alle Partner offen, die sich mit Kompetenz beteiligen wollen“, sagt Emmermann.

Allerdings ist umstritten, wie kompetent die Deutschen sind. Der Spiegel berichtete, dass der deutsche Vorstoß amerikanische Experten verwundere: „Die deutsche Forschung ist in der Erdbebenvorhersage ganz weit vorn, aber bei Tsunamis?“ „Das US-System ist veraltet“, kontert Emmermann. Und zählt die Vorteile des deutschen Systems auf:

1. Da es kein Tsunami ohne Seebeben gibt, müssen alle Erdstöße möglichst schnell registriert werden. Emmermann ist stolz, dass sein GFZ das Seebeben vom 26. Dezember schon nach 12 Minuten ins Internet eingespeist hat – und damit zwei Minuten schneller war als die USA. Allerdings verfügt das deutsche System „Geophon“ momentan nur über zwei Bojen im indischen Ozean. Sie sollen auf 30 bis 40 Bojen aufgestockt werden. Dann könnte man – wie jetzt im Mittelmeer – innerhalb von ein bis drei Minuten ans Internet melden.

2. Nicht jedes Seebeben löst einen Tsunami aus. Daher will die GFZ zehn weitere Spezialbojen im Indischen Ozean platzieren. An der Meeresoberfläche wird mittels GPS millimetergenau gemessen, wie sich die Boje auf den Wellen bewegt. Die Technik ist das Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojekts namens „Sea-Level-Change“. Doch nicht jede Welle ist ein Tsunami, daher würden am Meeresboden Druckmesser angebracht.

3. Ist ein Tsunami festgestellt, wird per Computersimulation seine Ausbreitung berechnet. Emmermann setzt auf die GKSS in Geesthacht, wo sich „eine starke Arbeitsgruppe von Physikern“ längst mit der Wellenmechanik befasst. „Wir sind keine Ein-Mann-Show“, versichert Emmermann. „Und unser Projekt ist auch nicht einfach aus dem Boden gestampft.“