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Archiv-Artikel

Im Blindflug beschlossen

Hitzige Kontroverse um HdJ St. Pauli und Kinderglück-Standort. Bezirksverwaltung soll Fraktionen getäuscht haben

Die Debatte war hitzig in der Bezirksversammlung Mitte. Die Zukunft des Hauses der Jugend St. Pauli (HdJ) und der dorthin geplante Umzug der offenen Kinder- und Jugendeinrichtung „Kinderglück“ erregte jüngst die Gemüter. Geplant ist, das stadteigene Zentrum neben der Schilleroper an einen privaten Träger zu übergeben und seine Arbeit umzustrukturieren. Neben HdJ und Kinderglück sollen im heruntergekommenen Helmut-Hübener-Haus auch das Jugendzentrum „KIZ“ und eine Mütterberatungsstelle untergebracht werden. Durch die Zusammenlegung soll ein Großteil der 224.000 Euro eingespart werden, die der Bezirk in den kommenden zwei Jahren weniger für Jugendarbeit zur Verfügung hat.

Protest hagelt es dabei von zwei Seiten: Die HdJ-Mitarbeiter sammelten gut 1.000 Unterschriften für den Erhalt des Hauses „in der jetzigen Form“. Sie befürchten, dass durch einen neuen, in der offenen Jugendarbeit unerfahrenen Träger der Treffpunkt für Heranwachsende aller Nationen faktisch zerstört werden könnte. Besorgt sind aber auch Erzieherinnen und Eltern des Kinderglücks: Denn um ins HdJ zu gelangen, müssten die Kinder den sechsspurigen Neuen Pferdemarkt überqueren. Die meisten der zum Teil erst fünfjährigen (Vor-)Schüler, die das Kinderglück an der Beckstraße besuchen, kommen von den benachbarten Grundschulen Ludwig- und Laeiszstraße – Wege, die selbst die Jüngsten auch ohne erwachsene Begleitung meistern konnten.

Zumindest den Kinderglück-Umzug zu verhindern versucht die CDU in der Bezirksversammlung. Sie fühlt sich von der Verwaltung „über den Tisch gezogen“. So sei die geplante Zusammenlegung am vorigen Nikolaustag per Tischvorlage durch den Jugendhilfeausschuss geprügelt und das Gremium dabei falsch informiert worden. „Wir mussten im Blindflug beschließen“, klagt der CDU-Abgeordnete Peter Herkenrath.

Dem Ausschuss war etwa erzählt worden, dass das HdJ eine schönere Außenspielfläche habe als der Kinderglück-Standort. Dabei, so Herkenrath, dürfe diese Fläche aus Lärmschutzgründen von Kindern gar nicht benutzt werden. Und über die notwendigen Umbau- und Sanierungskosten für das marode Gebäude, die auf mehrere hunderttausend Euro geschätzt werden, habe die Verwaltung vor der entscheidenden Sitzung „kein Wort verloren“, klagt auch GAL-Fraktionschef Michael Osterburg.

Über den CDU-Antrag, das Kinderglück am jetzigen Standort zu erhalten, berät der Jugendhilfeausschuss auf seiner nächsten Sitzung am 14. Februar. Als „Gipfel der Heuchelei“ bezeichnet SPD-Fraktionschef Andy Grote den christdemokratischen Vorstoß. Schließlich setze der Bezirk nur die Sparvorgaben des CDU-Senats um. Die Alternative dazu sei, so Grote, „eine Einrichtung ganz zu schließen“.

Zwischen den Fronten steht die GAL. Fraktionschef Osterburg weist zwar den „billigen Populismus“ der CDU zurück, verspricht dann aber, auch seine Fraktion werde sich „dafür einsetzen, dass das Kinderglück bleiben kann, wo es ist“ – vorausgesetzt, „wir finden eine Einsparalternative“.

Für diese Suche haben GAL und CDU noch drei Wochen Zeit.

Marco Carini