: So bleibt Röwekamp im Amt
Ein Signal der Nachdenklichkeit müsse CDU-Innensenator Thomas Röwekamp setzen, wenn er beim Misstrauensantrag ihre Stimmen erhalten wolle, hat die SPD gefordert. Die taz ahnt, dass dem das eher schwer fällt. Ein paar Formulierungshilfen
I. Der Grund des Misstrauens:
Der Bremer CDU-Innensenator Thomas Röwekamp hat sich im Brechmittel-Fall als Rambo präsentiert, der einen Toten im Polizeigewahrsam wie einen harmlosen Betriebsunfall behandelt und sich über rechtsstaatliche Grenzen der Strafverfolgung hinwegsetzt. Die Grünen haben deswegen einen Misstrauensantrag gestellt, über den die Bürgerschaft am Mittwoch geheim abstimmen wird. Röwekamp verliert sein Amt, wenn er neben den 29 CDU- nicht noch viele SPD-Stimmen erhält. Der Koalitionsausschuss wollte gestern abend nach einer Kompromisslinie suchen – zumindest, was die Sachfragen einer künftigen Bremer Brechmittelpolitik angeht.
II. Die SPD-Forderungen:
Die Sozen haben ihr Vertrauensvotum für Röwekamps Verbleib im Amt an ein Signal der Nachdenklichkeit gebunden, das dieser setzen müsse – bis spätestens heute um 14 Uhr, wenn die SPD-Fraktionssitzung beginnt. Es müsse „erkennbar werden, dass er nicht Innensenator einer CDU-Alleinregierung ist“, so SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen. Konkret gehe es darum, dass Strafverfolgung den „rechtsstaatlichen Rahmen“ respektieren müsse. Ein Todesfall nach Behandlung im Polizeigewahrsam könne öffentlich „nicht als Betriebsunfall“ dargestellt werden.
III. Mögliche „Signale“: a) Die Sache mit dem Koma
Röwekamp erster Satz zu dem Thema, fiel im Fernsehen. Auf die Frage: „Er liegt in Koma, weil die Polizei ihn als Drogendealer überführen wollte. Was empfinden Sie dabei?“, antwortete der Innensenator vor laufender Kamera am 4. Januar: „Also, die Frage ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit.“
„Tut mir leid“, könnte Röwekamp nachdenklich sagen, „ich habe das mit dem Koma nicht verstanden und überhaupt auf die Frage nicht geantwortet. Was ich dazu empfinde, ist natürlich keine Frage der Verhältnismäßigkeit.“
„Auch meine Behauptung“, könnte Röwekamp weiter sagen, „dass sich der Mann ‚selber einen entsprechenden Schaden zufügt‘, dass er das ‚sich selber zuzuschreiben‘ habe („Hätte er die Kugel ganz normal erbrochen, wäre es nicht passiert“), das war in der Erregung des Interviews so gesagt worden. Selbstverständlich untersucht die Staatsanwaltschaft derzeit, ob Ärzte einen Fehler gemacht haben. Ich habe ja an dem Tag des Interviews Stellung genommen, obwohl ich überhaupt nicht wusste, was wirklich passiert ist. Ich habe der Polizei und ihren Mitteilungen vertraut, das war mein Fehler. Deswegen gilt auch meine Aussage: ‚Ich halte den Eingriff nach wie vor für verhältnismäßig und gerechtfertigt‘ nur für den Fall, dass die Brechmittelvergabe verhältnismäßig vorgenommen wird.“
b) „Schwerstkriminelle“
Bei dem zweiten Interview, einen Tag später, kannte Röwekamp das Protokoll des Notarztes bereits. Er wusste, was die Polizei ihm verschwiegen hatte – nämlich, dass der Afrikaner zehn Tage zuvor im Koma liegend aus dem Polizeigewahrsam hinausgetragen worden war. Nicht nur der SPD-Fraktion ist bitter aufgestoßen, dass der Innensenator sich da nicht etwa korrigiert hat, sondern seine Position durch mehrfache Verwendung des Wortes „Schwerstkriminelle“ auch noch versuchte abzusichern. „Unter solchen Rahmenbedingungen, habe ich auch gestern gesagt, gibt es eine Abwägungsentscheidung zwischen dem körperlichen Wohlbefinden des Drogendealers und den Interesse des Staates und auch meines Interesses an einer nachhaltigen Verfolgung solcher schwerstkrimineller Straftaten. Und in dieser Situation entscheide ich mich auch für den gewaltsamen Einsatz von Brechmitteln“, so Röwekamp am 5. Januar. Schwerstkriminelle, „die solche schwere Straftaten begehen, die müssen mit körperlichen Nachteilen rechnen“, unterstrich er und fügte hinzu: „Nicht mit denen wie in diesem Fall.“
„Ich habe nicht die Todesstrafe für Drogendealer gefordert“, könnte Röwekamp sich jetzt unter Verweis auf seinen Zusatz rechtfertigen: „Damit habe ich unterstrichen, dass für Verdächtige die Unschuldsvermutung gilt und dass die Androhung solch ‚schwerer körperlicher Nachteile‘ wie das Koma eben nicht zu den rechtsstaatlichen Instrumenten gehört, um an Geständnisse oder Beweismittel heranzukommen.“
Reicht das als Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit von Strafverfolgung?
c) Die Brechmittel-Praxis
Noch vor zwei Wochen erklärte Röwekamp, er sei „für den gewaltsamen Einsatz von Brechmitteln“.
„Ach so“, könnte der Innensenator jetzt hinzusetzen, „das war damals. Ich habe darüber nachgedacht, das gilt heute nicht mehr.“ Manch CDUler müsste sicher schlucken. Röwekamp dagegen könnte fragen: „Jetzt bin ich wieder Innensenator der großen SPD-CDU-Koalition, oder?“ Eine dann wohl rhetorische Frage.
Klaus Wolschner