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Archiv-Artikel

Vom Steckenbleiben in der Pflasterfuge

FOTOGRAFIE Sie führt Aura- und Kirlianfotografie ad absurdum, hat einen Riesenspaß dabei und tut dies alles auch noch technisch geschickt: Das Braunschweiger Fotomuseum präsentiert Clare Strand

Die Beschränkung auf Schwarzweiß verschafft Strand eine unzeitgemäße Klarheit

Was sind das bloß für Versuchsaufbauten, die Clare Strand, scheinbar ernsthaft und wissenschaftlich, in ihren Fotos darstellt? Eine schwere Metallplatte, darauf ein altmodischer Damenschuh, irgendwie geerdet über ein kleines Kabel – so sieht eines der Arrangements ihrer Serie „Kirlian Study“ aus. Nun wurde zwar schon Semjon Kirlian mit seiner Erfindung, die es ihm gestattete, „metaphysische Energie“ zu fotografieren, allenfalls in okkulten Zirkeln der Sowjetunion um 1940 ernsthaft diskutiert. Vollends hanebüchen wird dies aber in den Anordnungen der derzeit in Braunschweig präsentierten Künstlerin Strand – etwas Energieähnliches ist da nämlich nicht zu sehen.

Ist einem dieser Widersinn bewusst, ist man auch schon mittendrin in Clare Strands ironischer Dekonstruktion des Wahrheitsgehaltes von Fotografie. Denn ihre Aufnahmen beweisen – gar nichts. In einer anderen Serie aus Fotos und Textpassagen geht Strand paranormalen Phänomenen und mutmaßlichen Verbrechen in London nach. Charles Dickens stand Pate mit einer Geschichte, in der er sein eigenes Verlorengehen in der Großstadt schildert. „Gone Astray“ ist auch Strands Titel – Wort und Bild stehen allerdings beziehungslos nebeneinander. Aber auch die mit hartem Blitzlicht isolierten Protagonisten gehen keiner erklärbaren Aktion nach, etwa wenn ein Wünschelrutengänger vor einer Ziegelwand stochert oder ein Absatzschuh in einer Pflasterfuge stecken bleibt.

Natürlich ist Clare Strand bewusst, dass sie auf einem schmalen Grat arbeitet. Doch die 1973 im britischen Surrey geborene Künstlerin kalkuliert die Wirkung ihrer Arbeiten bis zu einem mysteriös belassenen offenen Ende.

In ihrer Monografie gibt sie Auskunft zu Inspirationen, Motiven und Techniken ihrer Fotoprojekte. Auffällig ist dabei ihr Interesse für Exzentrisches, Spiritistisches, Obskures. Dabei scheut sie auch nicht die Niederungen des fotografischen Mediums, etwa wenn sie eine ‚Aura-Kamera‘ einsetzt, um energetische Qualitäten eines Menschen darzustellen. Dass diese, anschließend in Schwarzweiß umkopiert und vergrößert, wie voluminöse Staubwolken die Köpfe umfloren und so ad absurdum geführt werden, ist englischer Humor.

Die Beschränkung auf Schwarzweiß verschafft Strand dabei eine bewusst unzeitgemäße Klarheit. Ihre Bildsprache und die vermeintlichen Aussagen ihrer Fotos rekurrieren auf die großen Polizei- oder Bildreportagen der Fotografiegeschichte. Nur zeigen Strands Bilder keine echten Schauplätze.

So überzeugend Strands Fotos den Betrachter zur Reflexion animieren, so belanglos bleiben allerdings ihre Videos. Verschiedene Taschenspielertricks laufen in Endlosschleifen ab, ein Ei wird ausgespuckt oder ein Strick aus dem Hals gezogen.

BETTINA MARIA BROSOWSKY

Die Ausstellung ist bis 28. 6. im Fotomuseum Braunschweig zu sehen