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Archiv-Artikel

Frauenhäuser sind ins Netz gegangen

Eine neue Internetseite soll Frauen in Notsituationen helfen, schnell einen Zufluchtsort zu finden. Sie können dort auf einen Blick erkennen, in welchem Mädchen- oder Frauenhaus im Ruhrgebiet noch ein Platz für sie frei ist

RUHR taz ■ Frauen, die vor ihren gewalttätigen Männern flüchten wollen, finden jetzt leichter einen Platz im Frauenhaus. Statt von einer zur anderen Adresse verwiesen zu werden, können sie oder ihre UnterstützerInnen im Internet nach einer passenden Unterkunft recherchieren. Die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser NRW hat gestern in Dortmund ihre neue Internetseite (frauen-info-netz.de) vorgestellt.

„In der Vergangenheit waren die Opfer oft deprimiert, wenn sie von mehreren Häusern abgelehnt wurden“, sagt Beate Kaupen, Leiterin des Autonomen Frauenhauses in Herne. Die Frauen können zudem auf der Internetseite recherchieren, in welchem Frauenhaus auch Platz für ihre Kinder ist und erhalten weitere wichtige Adressen.

Eva Grupe vom Dortmunder Frauenhaus befürchtet nicht, dass eine öffentliche Internetseite den Männern hilft, ihrer Frau einfacher aufzulauern. „Im Netz sind nur Telefonnummern angegeben. Auch früher konnte man uns schon im Telefonbuch finden.“ Die Geheimhaltung des Standorts bleibt oberstes Prinzip der Frauenhaus-Idee: „Egal, wer bei uns anruft, wir geben niemals einfach so die Adresse heraus“. Auch das erste Treffen mit der bedrohten Frau findet aus Sicherheitsgründen nicht im Frauenhaus statt.

63 Mädchen- und Frauenhäuser gibt es in Nordrhein-Westfalen, in jeder größeren Stadt im Ruhrgebiet existiert mindestens ein solcher Zufluchtsort. Etwa ein Drittel der Häuser wird autonom verwaltet, die anderen sind in der Hand von Kirchen oder Sozialverbänden. Das Land finanziert in jeder Stadt vier Personalstellen. Wenn ein zusätzliches Haus gebraucht wird, muss die Kommune für die Finanzierung aufkommen.

Ein Blick auf die Internetseite zeigt: Viele der Frauenhäuser sind nicht voll belegt. „Die Anfragen sinken sogar“, sagt Beate Kaupen aus Herne. Sie vermutet, dass Frauen in Not durch Hartz IV verunsichert worden sind. Denn durch die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ergeben sich für sie neue Probleme: Während früher eine neue Frauenhausbewohnerin relativ einfach Sozialhilfe beantragen konnte, muss sie jetzt als Arbeitslosengeld II-Berechtigte kompliziertere Anträge ausfüllen und mehr Nachweise herbeischaffen. „Wir sind ja schon froh, wenn die Frauen bei ihrer Ankunft ihren Personalausweis dabei hat“, sagt sie.

Die Frauen, die oft Hals über Kopf mit ihren Kindern vor ihrem schlagenden Ehemann geflüchtet seien, hätten für die anstehenden Ämtergänge oft überhaupt keine Energie, so Eva Grube. „Sie sollen ihr Leben neu organisieren, obwohl sie gleichzeitig ihren Schock verarbeiten müssen.“ Dazu kommt, dass die Frauen im Gegensatz zu früher keine Schonfrist mehr erhalten. Denn ALG II-BezieherInnen gelten als erwerbsfähig und können theoretisch sofort in einen Ein-Euro-Job gedrängt werden.

Die 2004 gegründete NRW-Initiative „Frauen in Not“ hatte im Herbst erfolglos versucht, für traumatisierte Frauen eine Schonfrist durchzusetzen. In einem Punkt ist Hartz IV jedoch im Sinne der Betroffenen nachgebessert worden: Sie dürfen aus der so genannten Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Mann austreten und können da, wo sie Zuflucht gesucht haben, auch eigenes Unterhaltsgeld beantragen.

NATALIE WIESMANN

TJITSKE YPMA