: Eine Barrikade aus Paragrafen
Bundesinnenminister will Demonstrationsrecht einschränken, um Nazis zu stoppen. Innensenator Körting (SPD) ist begeistert. Grüne und FDP hingegen halten Gesetzesänderung für überflüssig
VON FELIX LEE
Es war am 29. Januar 2000. Zwei Tage nach dem Holocaust-Gedenktag marschierten 500 NPD-Anhänger mit NS-Symbolen durchs Brandenburger Tor. Dieser Aufmarsch löste damals im In- und Ausland Schrecken aus. Denn erstmals seit Kriegsende gelang es Neonazis, ein Staatssymbol für ihre Zwecke zu missbrauchen.
Damit sich solche Bilder nicht wiederholen, will Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nun das Demonstrationsrecht einschränken. Er kündigte gestern an, dass er rechtsextremistische Aufzüge vor Stätten verbieten lassen werde, die an die Vernichtung von Juden erinnern – eine Lex Holocaust-Mahnmal also.
Zwar zählt das Brandenburger Tor nicht zu diesen Verbotszonen. Doch auch dort dürften Nazis nach Ansicht von Schily nicht mehr aufmarschieren. Denn er will Demonstrationen allgemein verbieten, „wenn zu erwarten ist, dass in der Versammlung nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft verherrlicht oder verharmlost wird“. Und damit wäre eine NPD-Demo am Brandenburger Tor wahrscheinlich wieder mit im Boot.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) unterstützt Schilys Vorstoß ausdrücklich. Er fordert bereits seit einiger Zeit eine Verschärfung des Versammlungsrechts. „Unabhängig von symbolträchtigen Orten sollte es generell möglich sein, eine Verherrlichung von menschenverachtendem und nationalsozialistischem Gedankengut zu verhindern“, sagte Körtings Sprecher Claus Guggenberger.
Das gelte auch für den 8. Mai. Zum 60. Jahrestag des Kriegsendes hat die rechtsextreme NPD bereits einen Aufmarsch vor dem Brandenburger Tor und dem Holocaust-Mahnmal angekündigt. Wenn es zügig zu einer entsprechenden Gesetzgebung des Bundes komme, könnte diese NPD-Demo bereits nach neuem Recht verhindert werden, hofft Guggenberger. Dass mit der Verschärfung des Versammlungsrechts generell alle NPD-Aufmärsche verhindert werden, daran glaubt die Innenverwaltung aber nicht. „Wenn Neonazis zum Beispiel gegen Globalisierung auf die Straße ziehen, können wir ihre Demo nicht verbieten.“ Das heißt: Auch künftig bedarf es einer Einzelfallprüfung.
Die Oppositionsparteien konnte der Bundesinnenminister nicht zufrieden stellen. Schilys Vorstoß sei uralt, behauptet Roland Gewalt, Berliner CDU-Bundestagsabgeordneter. Der Entwurf entspreche dem des früheren Innensenators Eckart Werthebach (CDU) und hätte längst umgesetzt werden sollen.
Kritik kommt aber auch von der anderen Seite: Die bestehenden Gesetze würden ausreichen, um bei Verherrlichung des Nationalsozialismus oder Volksverhetzung Kundgebungen und Demos zu verbieten, sagt der Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, Volker Ratzmann. Dies habe Körting mit dem Verbot der islamistischen Demo im Herbst schon einmal bewiesen. Und Alexander Ritzmann (FDP) findet, dass auch Radikale ihre Meinung äußern dürfen. „Gegen radikale Meinung helfen keine Verbote, sondern nur bessere Argumente.“ Er plädiert für eine Routenänderung am 8. Mai.
Antifa-Initiativen und ein speziell gegründeter Zusammenschluss mit dem Namen „Bündnis zur Vorbereitung des 8. Mai – 60. Jahrestag der Befreiung“ setzen längst auf eine andere Karte: den Zivilprotest. So plant die Berliner Friedenskoordination für den 8. Mai einen internationalen Kongress und zwei Gegenkundgebungen. Möglichkeiten des Verhinderns gebe es viele, so ein Sprecher einer Berliner Antifa.
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