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Archiv-Artikel

Aufbäumen gegen den Todesstoß

„Die Bürger wollen endlich echte Volksentscheide“: Das Bündnis zur Rettung der Volksgesetzgebung sammelt in diesem Monat fleißig Unterschriften für eine vitale direkte Demokratie in Hamburg. Nächste Woche öffentliche Anhörung im Rathaus

Von Markus Jox

Der Rücklauf von Unterschriften zur Rettung und Stärkung der direkten Demokratie in Hamburg verläuft bislang offenbar schleppend. Zwar informierte der GAL-Abgeordnete Farid Müller darüber, dass seine Partei an Infoständen in Volksdorf „bei klirrender Kälte“ binnen 150 Minuten „über 180 Unterschriften gesammelt“ habe. Nach Angaben des Vereins „Mehr Demokratie“ ist die Hürde von jeweils 10.000 erforderlichen Unterschriften für die beiden laufenden Volksinitiativen allerdings „noch weit entfernt“. Drei Wochen vor Ablauf der Frist seien etwa 3.000 Unterschriften für „Rettet den Volksentscheid“ und rund 1.500 Signaturen für „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ eingegangen, teilte der Verein mit.

GALier Müller, der sich über die „Todesstoßpläne des Senats für die Volksgesetzgebung“ empört, zweifelt jedoch nicht am Erfolg der Initiativen. Erfahrungsgemäß würden „die Unterschriftenlisten erst ganz kurz vor Ende der Frist von den Sammlern zurückgeschickt“, sagte er gestern der taz. In Volksdorf jedenfalls sah sich Müller in seinem Optimismus bestätigt: „Die Bürger waren derart erbost, dass sie sich sogar beim Unterschreiben als CDU-Wähler outeten“, jubelt er.

Auch der DGB-Altvordere Frank Teichmüller, eine der drei gesetzlich vorgesehenen Vertrauenspersonen der Volksinitiativen, äußerte sich zuversichtlich: „Die Menschen wollen endlich echte Volksentscheide.“ Viele Bürger, die sich schon bei Volksabstimmungen engagiert hätten, fühlten sich derzeit „doppelt verschaukelt“, so Teichmüller: Durch die Art und Weise, wie sich der Senat über den Volksentscheid gegen den Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) hinweggesetzt habe, und durch „die Pläne der CDU, Volksabstimmungen per Gesetz praktisch unmöglich zu machen“.

Entgegen den Vorstellungen des Senats, wonach Unterschriften künftig ausschließlich in Amtsstuben gesammelt werden dürften, plädieren die Petenten dafür, dass Eintragungen zu Volksbegehren weiter auf Straßen und Plätzen möglich sein müssen. Argumente, wonach Unterschriftensammler einen starken sozialen Druck ausüben könnten, weisen die Initiatoren mit Verweis auf den „mündigen Bürger“ zurück. Auch wehrt sich das Bündnis gegen das geplante Verbot einer Koppelung von Volksentscheiden und Wahlen, da die Erfolgsaussichten aufgrund geringerer Mobilisierungskraft schlechter ausfielen.

Zur Stärkung des Volksentscheids hat das Bündnis einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der unter anderem die notwendige Mindestbeteiligung für verfassungsändernde Referenden von derzeit 50 auf 35 Prozent der Wahlberechtigten absenkt. Darüber hinaus könnte die Bürgerschaft künftig gezwungen werden, das Volk über die Aufhebung eines Volksentscheids bestimmen zu lassen: Sollte die Bürgerschaft einen Volksentscheid durch ein Gesetz aufheben oder verändern, dürfte dieses nicht vor Ablauf von drei Monaten in Kraft treten – innerhalb dieser Frist könnten 2,5 Prozent der Wahlberechtigten vom Senat einen Volksentscheid über ebendieses Gesetz verlangen.

Unterdessen hat auch die erfolgreiche Volksinitiative „Unser-Wasser-Hamburg“ vor den Senatsplänen gewarnt. Als „Initiative ohne Großorganisation als Träger“ sei „Unser-Wasser-Hamburg“ auf den direkten Kontakt zu den Bürgern angewiesen gewesen, betont Mitinitiator Jürgen Arnecke. Nur durch das „direkte, spontane Bürgergespräch“ etwa an Infotischen sei es gelungen, binnen zweier Monate fast 150.000 Unterschriften gegen die Privatisierung der Hamburger Wasserwerke zu sammeln.